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Sonderdruck

 

 

 




 

 ZEITSCHRIFT

FÜR


GESCHICHTE

       D E R          




SAARGEGEND

         XLIII-1995                              


 




Die Baugeschichte des Saarbrücker Schlosses und deren Erforschung

 

Von Alfred Maurer

 

Friedrich Joachim Stengel hat als fürstlich nassau-usingischer Baudirektor das barocke Bild der Stadt Saarbrücken geprägt. Die Publikationen zum Saarbrücker Schloß haben sich auf die Erforschung der Baugeschichte, der Bauausstattung, der Fassadengliederung und des Skulpturenschmuckes konzentriert. Der Einordnung des Schloßneubaues in das über Jahrhunderte gewachsene städtebauliche Umfeld des Schloßberges und der Distribution der Drei-Flügelanlage wurde wenig nachge­ gangen. Waren politische Ziele des Fürsten Wilhelm Heinrich und das Bestreben um die Einführung in den Reichsfürstenrat Anlaß zum Neubau? Welchen Einfluß hatten die Bauhüttenbücher bei der Realisierung des Schloßentwurfes? Orientierte sich Friedrich Joachim Stengel an den Architekturtraktaten der Italiener, den Franzosen, oder war sein Werk von den Akademien in Berlin und Wien beeinflußt? Nicht der Untersuchung des Bautyps, sondern der Sammelintention und dem Weltverständnis zwischen Hofrecht, Architekturtraktat und baukünstlerischer Zielsetzung wird nach­ gegangen. Wurde Städtebau und Schloßgestalt durch Regularien bestimmt, oder hat der Baumeister Joachim Friedrich Stengel in künstlerischer Freiheit zu diesen geplant und gebaut? Ist die Raumabfolge von den Regeln am Hofe, dem Deutschen Hof­ recht und seinen Zeremonien bestimmt? Welche Beziehungen bestehen zwischen den funktionalen Anforderungen an ein Residenzschloß und seinem Prospekt? Wurde zunächst die städtebauliche Einordnung, die höfische Funktion im Grundriß und dann die Proportion der Fassaden entwickelt? Welche Erkenntnisse gibt es zu den Bemühungen um das Zusammenwirken bautechnischer Wissenschaft mit räum­ lichem funktionalem Gestalten in dieser Zeit? Diesen Fragen nachzugehen, die baukünstlerische Leistung von Friedrich Joachim Stengel als Ingenieurarchitekt ein­ zuschätzen und einige Facetten seiner Persönlichkeit darzustellen, ist Aufgabe dieser Abhandlung1)

 

 

 

 

 





 


                    1) Der Verfasser hat zusammen mit dem vom Stadtverband beauftragten Architekten Erich Fissabre von 1977 bis 1980 die historischen, kunstwissenschaftlichen und naturwissenschaft­lichen Studien                                 zum Gestaltbild des 1739-1748 erbauten Barockschlosses durchgeführt. Ab Dezember 1981 bis zur Einweihung des Saarbrücker Schlosses am 7. April 1989 lag in ihren                                                                        Händen die Objektüberwachung und Bauleitung für Schloß, Techn. Nebengebäude und Cour d'honneur. Von 1990 bis 1992 überwachten die Architekten die Bauarbeiten 

                       für den Anbau des Regionalgeschichtlichen Museums des Stadtverbandes Saarbrücken. Die Forschungsarbeit zur Baugeschichte des Saarbrücker Schlosses wird in einer gemeinsamen End­=                                publikation „Die Erforschung des Barockschlosses Saarbrücken" veröffentlicht. Mein Dank gilt Herrn Erich Fissabre für den Konsens, einige Gedanken und Analysen im Rahmen dieses                                      Kolloquiums vorzeitig darzulegen.

 

 1)

                                         

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Stratigraphie des Schloßberges

Die Bau- und Siedlungsgeschichte des Schloßberges erschließt sich aus den histori­ schen Qyellen und den Abfolgen der Baureste aus den Jahrhunderten2). Der unmit­ telbar am Saarlauf steil aufragende Felsen eignete sich zum fortifikatorischen Ausbau einer konzentrischen Burganlage.

 

Mittelalter bis 17. Jahrhundert

Historische Qyellen aus dem Jahre 989 berichten von dem kaiserlichen Gasteil Sarabruca3). Im Jahre 1009 wird es lkste Sarebrugka genannt4). Nach einer Urkunde aus dem Jahre 1065 hat Herzog Friedrich von Niederlothringen die Burg vom König als Lehen erhalten. König Heinrich IV. schenkt das Castel Salemburca an Friedrichs Bruder Graf Adalbert von Saarbrücken, Bischof von Metz5). Im Jahre 1168 wird die Burg des Grafen Symon auf Befehl des Kaisers Friedrich I. zerstört6). 1277 erwähnen Archivalien Castel und Bourg7). Eine Urkunde vom 11. 01. 1485 berichtet, daß Graf Johann III. begonnen hat ...ano 1459 wegen Kriegszeiten die bei­ den Städte zu befestigen und zu bewachen8). Graf Johann IV. begann im Jahre 1563 Bollwerke um die Burg anzulegen und eine Zugbrücke über den Graben zwischen Stadt und Burg zu bauen9). Der Historiograph der Grafen von Nassau-Saarbrücken Andreae berichtet, daß 1575 Graf Philipp zu Nassau-Saarbrücken das Sommerhaus zu Saarbrücken gebaut habe, und gibt in einer Grundrißskizze erstmals eine Vorstel­lung von der Burg10). Das trapezförmige Geviert war mit ungleich breiten Gebäuden umschlossen. Der Wehrturm befindet sich auf der Westseite der Vier-Flügelanlage. Die Vorburg auf der Saarseite wird nach Nordwesten und Südosten durch Gebäude

 

 





 


                      2) In chronologischer Reihenfolge sind folgende Kulturschichten nachzuweisen: römische Keramik, Teil eines Dachziegels/ Frühmittelalterlicher Besiedlungshorizont: 9Jh. Keramik glatt-braun                               mit Zierhändchen, Weg, Stollen u. Stolleneingang zur Burg/ Karolingische Tongefäßscherben/ Reste Bering mit 2 Vierecktürme u. Bergfried der mittelalterlichen Burg/ Staufische Zeit, 2.                                      Hälfte des 13. Jh.: Keramik Reihe Randprofile von grauen gerippten Krügen und Bechern, violett-braunes, glasiertes u. strichbemaltes Geschirr, Mauerwerksreste aus Q!iaderlagen mit      

                          Bossierung, sauberem   Randschlag u. feingepickter Fläche (Buckelquadertechnik)/ Kasematten des Renaissance-Schlosses, Dreiecksbastionen, unterirdische Gänge mit mittelalterlichen                                       Steinzeichen, Treppenspindel des Gartenhauses, Reste von Wirtschaftsgebäuden, tonnengewölbter Keller des Botzheimischen Baues, Wasserleitungen und Pflaster. Einfahrt zum Schloß,                                       Kapitell des Renaissanceschlosses/ Barocker Bestand des Schlosses, historischer Weinkeller neben Schloßkirche, Fundamente Marstall von 1738, Untergeschosse der Wacht- u.                                                      Gefängnispavillons, Reste der Terrassen  und Treppenanlage, Kapitell des Mittelpavillons, Fayence u. Porzellangeschirr aus der 1. Hälfte des 18. Jh., feingeschliffenes Trinkservices                                                der fürstl. Tafel, Meißener Porzellanfigur (kl. Hirschkuh) u.s.w.

                    3) Jungk I, Reg. 35 (999, April 14, Rom).

                    4) Jungk I, Reg. 37 (1009).

                    5) Jungk.I, Reg. 40 (1065, Saarbrücken).

                    6) Jungk.I, Reg.10 (1168).

                    7) )Jungk. I. Reg. 561/562 ( 1277, Juli 2).

                    8) Urkunde vom 11.01.1485 bei Ruppersberg III, 1903, 31.

                    9) HHStA Wiesbaden, in 1002, 4, p. 414.

                    10) HHStA Wiesbaden, in: 1002, 5, fol. 266: Grundrißskizze des Registrators Johann Andreae 

                        (um 1638?).

 

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abgeschlossen11). Das Sommerhaus, von Christmann Strohmeyer12) erbaut, ist auf dem südöstlichen Vorsprung des Saarfelsen angeordnet13). Die Burganlage wird im Nordosten durch den Saarfelsen und die Saar, im Osten durch einen Graben und im Süden u. Südwesten durch Bollwerk und Graben umschlossen. Der Zugang zur Burg erfolgte von der Stadtseite her über die Zugbrücke gegenüber dem großen Turm. In der Südecke des Gartens befindet sich der rohte Thurn14), und gegenüber in der Nordecke steht das rund thurnlein15).

 

17. Jahrhundert

Die Handzeichnungen des Henrich Höer geben die Schloßanlage des 17. Jh. authentisch und topographisch zuverlässig wieder16). Diese übernimmt den in der Burg angelegten Vor- und Haupthof. Dargestellt ist eine Vier-Flügelanlage innerhalb eines Beringes mit verschiedenförmigen Bastionen. Die Schutzvorrichtungen der Schloß­anlage - Türme, Mauern, Torbauten und Gräben - folgen der Topographie des Saarfelsens. Das Bollwerk wird durch dreiecksförmige Eck-Bastionen verstärkt17). Vier Flügel, drei im rechten Winkel zusammengefügt, umgeben den trapezförmigen Haupthof. Das Geviert ist mit gleichbreiten Gebäuden umschlossen. Die drei­ geschossigen Baukörper werden durch vier in den Ecken des inneren Schloßhof ein­ gestellte Treppentürme mit Wendeltreppen vertikal erschlossen. Nach Süden wird das Geviert durch vier übereinanderliegende Arkaden abgeschlossen. Der Vorhof auf der Saarseite wird nach Nordwesten durch den sogenannten Botzheimischen Bau18) nach Nordosten durch einen eingeschossigen kleinen Gaden-Trakt19) und im Norden von der Schloßmauer gebildet. Das Sommerhaus auf dem südöstlichen Saarfelsen ist dem Gartenhaus vorgelagert.



 





 


                           11) Beim Ausschachten des unterirdischen Verbindungsganges zwischen dem Nord- u. Südflügel anläßlich der Wiederherstellung des Schlosses wurden vom Verfasser Mauerwerksreste der                                                   mittelalterlichen Burg freigelegt, die besichtigt werden können.

                           12) Christmann Strohmeyer, tätig in Homburg, Schloß Philippsborn, in Neunkirchen, 1575 bestellt als kurpfälzischer Baumeister.

                           13) Die Pläne der Ausgrabung aus dem Jahre 1938 und 1962 sind im Rathaus Saarbrücken, Kreisplanungsstelle archiviert.

                          14) Rolle, Friedrich: Curiosa Rolleiana, o. J., Ende des 18. Jh., LKA Sbr., H 15: Die Rothe Türme sehen nicht roth aus, sondern heißen von der Blut Fahne, welche oben in 

                                signum prodic­tionis criminalis herausgehängt wurde, der, in Halle, Mainz, Meißen, Prag, Hannover, Saarbrücken   Die Fundamente und ein Teil der mit Buckelquadern errichteten                                               Turmmauer des Roten Turms wurden vom Verfasser im Oktober 1989 bei Bauarbeiten freigelegt. Diese Turmanlage ist auch identisch mit dem dickwandigen größeren Turm in der                                                Zeichnung Höer.

                           15) HHStA Wiesbaden, in : 1002, 5, fol. 266: Grundrißskizze des Registrators Johann Andreae (um 1638?).

                          16) HHStA Wiesbaden: Abt. 3011, Nr. 3715, 35 BII. Abrisse derer Nassauischen Residentz Schlösser von Henrich Höer (1617).

                           17) Im Oktober 1983 wurde vom Verfasser bei den Ausschachtungsarbeiten zum technischen Nebengebäude an der Talstraße ein Teil dieser umfangreichen Befestigungsanlagen in verschiedenen                                         Schichten ausgegraben. Diese S-Bastion des 17. Jh. und die südwestliche Wehr­ mauer wurden in den Neubau des technischen Nebengebäudes einbezogen und können besichtigt werden.

                           18) Der Botzheimische Bau, benannt nach dem dort um 1728 wohnenden Oberforstmeister, nach: Lohmeyer, K.,: 1911, 30, Anm.3.

                          19) Kleiner eingeschossiger Quertrakt vor dem trapezförmigen Sommerhaus.

 

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Übergang zum 18. Jahrhundert

Historische Nachrichten berichten über die Zerstörung des Schlosses durch Kaiser­liche Truppen am 16. Mai 167720). Die Wiederherstellung des Schlosses erfolgte um 1696 durch den Architekten Josef Ph. C. Motte dit la Bonte im Auftrag der Gräfin Eleonora Clara, Witwe von Nassau aus dem Hause Hohenlohe, und Sohn Ludwig Crato. Der Schloßflügel entlang dem Weg von St. Arnual Rauschen Thal, die heu­tige Talstraße, ist nach den erhaltenen Umbauplänen la mode ausgeführt wor­den21). Der Schloßhof wird nach Süden zum Garten hin geöffnet und mit einem eingeschossigen Arkadengang umgrenzt. Das Gartenterrain wird über den Bering hinaus durch einen terrassierten Barock-Garten weit ins Tal erweitert. Eine Sepia­ Zeichnung vom Schloß mit Marktplatz von Saarbrücken nach 1710 gibt eine Ansicht zu diesem Grundriß22). Der Westflügel ist geprägt durch den Bergfried, der zur stau­ fischen Zeit entstand und bis zum Abbruch dieses Schlosses beibehalten blieb23). Dieser rechteckige fünfgeschossige Uhrenturm, sein oberstes Geschoß erhielt er im Jahre 1613, überragt den Dachfirst der vier Flügel und ist mit einer Schweifhaube mit Gauben und Laterne abgeschlossen. Die achteckigen Treppentürme in den vier

Ecken des Innenhofes sind ebenfalls mit Schweifhaube abgedeckt. ( Plan I )

 

18. Jahrhundert

Nach dem Tode des Grafen Friedrich Ludwig 1728 fielen die Besitzungen an den usingischen Zweig des nassau-saarbrückischen Hauses. 1735 teilte die Fürstin Charlotta Amalia von Nassau-Usingen die Erblande auf ihre Söhne auf Carl, der ältere erhielt die rechtsrheinischen nassauischen Länder und der jüngere, Wilhelm Hein­ rich, die linksrheinischen. Vom Tode der Fürstin 1738 bis zur Großjährigkeit seines Bruders 1741 führte Fürst Carl von Usingen die Geschäfte. Fürst Wilhelm Heinrich, innerhalb der deutschen Reichsstände eine Quantite negligeable mit geringer militärischer Macht, kleinem Territorium und ohne Stimme im Reichstag, konnte seine diplomatischen Bemühungen nur auf ein gutes Verhältnis zum mächtigen fran­zösischen Nachbarn und zum Wiener Hof ausrichten. Kaiser Leopold I. hatte im Jahre 1688 den Grafen von Nassau-Usingen das Recht zum Führen des Fürstentitels bestätigt, die angestrebte Aufnahme in den Reichsfürstenrat mit Sitz und Stimme abgelehnt. Die Nassau-Usinger teilten die Grafenbank, aufgeteilt in das westfälische, fränkische, schwäbische und Wetterauer Grafenkolleg, mit insgesamt 4 Kuriats­stimmen. Fürst Wilhelm Heinrichversuchte 1753/54 und 1762/63 erneut ohne Erfolg, die Aufnahme in den Reichsfürstenrat mit Unterstützung Preußens durch

 





 


                            20) Köllner, Adolph, Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, Bd. 1, S. 315.

                            21) LA Sbr., Bestand Nassau-Sbr. II., Nr. 2855, S. 388 u. Bestand Pläne Nr. 2 ° 47.: ein farbiger Plan mit Ansicht des südlichen Schloßflügels und eine Zeichnung eines Barock-Portals 

                                  mit  2-läufiger Treppe.

                             22) Diese Zeichnung wird Anton Köhl zugeschrieben (in: Gesch. Landschaft an der Saar, 21. April 1962, Nr. 20) . Ein niedriger Arkadentrakt ist anstelle des ehern. Ostflügels eingezeichnet.

                             23) Bei Kanalisationsarbeiten im August 1977 entdeckte man eine 3 m dicke Mauer, welche zum Hauptturm des Renaissanceschlosses (1602-1687) gehörte. Im März 1989 wurde dann beim                                             Abtragen der Freitreppe und der Neugestaltung des Schloßplatzes das komplette Turm­fundament freigelegt.

 

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Aufgabe seiner Ansprüche auf das niederrheinische Fürstentum Moers aus der Saar­werdener Erbschaft vom Jahre 1527 einzuhandeln24).

Mit der Übernahme der Regierung durch die Söhne Charlotta Amalias von Nassau­ Usingen 1735, Carl und Wilhelm Heinrich, wird der Architekt Friedrich Joachim Stengel aus Zerbst beauftragt, ein Gutachten über den baulichen Zustand dieses Schlosses zu erstellen. 1735 kam F.J. Stengel das erste Mal nach Saarbrücken und begutachtete das Schloß und traf den Nordflügel in gäntzlichen verfall des Dachs und gantzen eingebäudes an25). Der Südflügel war noch in gutem Zustand, aber mit gar schlechter commaditaet von einem ahn e,jährenen Architect erbauet. Der alte Schloßflügel befand sich in einem sehr gefahrlichen Zustand und mit dem Seitenflügel zu seiner Zeit abzubrechen ohnumgänglich nöthing26). In diesem Gutachten vom 10. 10. 1735 empfahl Stengel zunächst dem Fürsten Carl und dem Prinzen Wilhelm Heinrich den Neubau eines Mittelrisaliten anstelle des Altans des Renais­sanceschlosses und die Konservierung des alten Baues. Die Archivalien geben uns weiter Kenntnis von der Planvorlage am 26. 01. 1739 für einen Neubau. Stengel bat den Prinzen Wilhelm Heinrich um die Entscheidung, 1ob die Stellung der Neuen Gebäude nach dem plan Sub. Lit. A Gnädigst beliebt werde und 2. der Graben, so weith er zu dem Vorhof nöthig ist, zugeworfen, auch 3. die Zwty eingerichtete Wachthäußer daselbst aufgeführet und unten mit gefängnißen gemacht werden sol­len. 4. ob es bey der eintheilung derer drey plans Sub. Lit .B . C und D. sein Verbleiben habe und in der untern etage die Regierung, Renth Camer, Archiv und Forststube anzubringen seye, welchen fallß die Decken alle gewölbt werden müßen, außer dem aber könnte die Wölbung weg bleiben. 5. Ob die 2 Haupt Treppen recht und lincker Hand zu machen seyn, wie das Model zeiget, oder aber nur die

eine rechter Hand, wie solche in den Riß gezeichnet ist, bleiben solle. 6. Ob das Dachwerck mit seinen pavillons, pallustres, tropheen und andern verzierungen wie das Model und die Riße zeigen, zu machen seye, oder aber, ob nur das Belvedere auf dem Corps du logis angebracht und die andern Dächer gantz gerade ohne pavillons und verziehrungen gemacht werden sollen, welchen letzteren Fall bey 5000 flerspahret werden könnten27). Bereits drei Tage später, am 29. 01. 1739, erhält Stengel  zu seiner  Anfrage  die Zustimmung  des Fürsten  Wilhelm  Heinrich

vorbehältl unseres Herrn Bruders, Fürst Carls Drchlt. annoch zu ertheilender approbation...28 ).

 

,,Entre cour et jardin"

Bezeichnend für die Baumaßnahme ist jedoch, daß dem Bauen an einem traditio­nellen und nobilitierten Ort der Vorzug gegenüber einer Anlage auf dem freien Lande gegeben wurde. Wilhelm Heinrich aus dem nassau-usingischen Zweig Wal­rams wählte 1741 in Abstimmung mit seinem Bruder Fürst Carl den Saarbrücker

 

 





 


                              24) Die Grafschaft Moers war 1707 zum Fürstentum mit Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat erhoben worden.

                             25) Lohmeyer, K., F.JStengel, Düsseldorf 1911, S. 98.

                             26) Lohmeyer, K., F.J. Stengel, Düsseldorf 1911, S. 98.

                             27) Lohmeyer, K., F.J. Stengel, Düsseldorf 1911, S. 101 u. 102.

                             28) Lohmeyer, K., F.J. Stengel Düsseldorf 1911, S. 102.

 

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Schloßfelsen. Graf Ludwig des walramischen Stammes residierte hier bis 1627 über die ihm durch Erbteilung zugefallenen nassau-usingischen Ländereien links des Rheins. Es waren aber auch praktische Gründe, die das Festhalten an dem Baugrund bewirkten. Der Bauplatz war bereits verkehrstechnisch erschlossen. Man konnte auf einem solchen Gelände Fundamente und Substruktionen oder intakte Bauteile der Vorgängerbauten wiederverwenden.

Der Fürst Wilhelm Heinrich stand zwischen Wien und Versailles. Es vermischten sich vielfältig die Gedanken aus dem Süden und dem Westen mit denen des Nordens. Baukunst zählte zur Allgemeinbildung am Hofe. So ist z.B. belegt, daß Fischer von Erlach ab 1689 dem Erbprinzen Joseph täglich eine Stunde Architektur­unterricht erteilte. Die auf den Reisen gesammelten Eindrücke regten zum Neubau des Schlosses sowie zum Ausbau der mittelalterlichen Stadt Saarbrücken zu einer Residenzstadt mit großzügigen Platzfolgen, herrschaftlichen Bürgerhäusern und Gartenanlagen an. Der Wandel in der fürstlichen Lebensführung, die Aufgabe der Wehrbaufunktionen, die weltoffenere Haltung und der Wunsch nach einer freieren Anlageform mit Außenhöfen und Gärten und der Wille zu einer bequemeren und prachtvolleren Gestaltung und einer verfeinerten Wohnkultur begründeten die Aufgabe des befestigten Schlosses. Die Entwicklung der modernen Feuerwaffen erforderte, daß die Festungen an die Grenzen der Städte oder Länder verlagert wur­ den. Mit dem Abbruch der alten Schloßanlage und der Neuanlage war es möglich, die unregelmäßige Plangestalt des Renaissanceschlosses und seine Modernisierung aufzugeben und durch eine regelmäßige symmetrische Anlage zu ersetzen.

Mitte des 16. Jh. erfolgte in Mitteleuropa eine intensive theoretische Beschäftigung mit der antiken Architektur, Musterbücher und Stichwerke übermittelten Idealrisse. Wir unterscheiden in der Profanarchitektur des 17. Jh. den Stadtpalast (palazzo, hotel), das Landhaus (villa, chäteau) und Übergänge zwischen diesen Typen (villa suburbana). Der Ursprung dieser Differenzierung findet sich im Buch L.B. Albertis mit Plänen für Häuser in der Stadt zu erbauen, Häuser außerhalb der Stadt zu erbauen oder Landhäuser29). Aus diesem im 17. Jh. manifestierten Wunsch nach Synthese dieser Bautypen entwickelte sich die Idee vom Gegenüber von Stadt und Natur. Der Gebäudekomplex verband sich mit der Natur. Das Chateau- auf halbem Wege zur Stadt gebaut- wurde zum gesellschaftlichen Mittelpunkt. Das städtische Umfeld und das Gelände wird Bestandteil des Schloßbaues.

Der mittelalterliche Eindruck des Renaissanceschlosses war bestimmt durch seine Lage und seine Festigungswerke. Mit dem Schloßneubau wurde der Besitz grundsätzlich verwandelt. Keinerlei Wehrelemente prägen das Bild dieser neuen Anlage. Die Aufgabe der geomorphen Zwänge des Berges und der strategischen Anforderungen erlaubte die Geometrisierung des Schloßbaukörpers. Aus dem block­ förmigen Bauwerk des 17. Jh. mit Innenhof, dem Palazzo, entstand durch Öffnung

 

 





 


                           29) Alberti, L.B., Ten Books on Architecture, englische Ausgabe, London 1755, Nachdruck London 1955, V, 18. Das Landhaus und das Stadthaus für den Reichen unterscheiden sich in                                          dieser Hinsicht: Sie benutzen ihr Landhaus hauptsächlich als Sommerwohnung und ihr Stadthaus als eine geeignete Unterkunft im Winter. In ihrem Landhaus genießen sie daher die                                          Freuden von Licht, Luft, weiten Alleen und schönen Ausblicken. In der Stadt gibt es nur wenige Freuden außer Luxus und Nacht.

 

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der  vierten Seite die Dreiflügel-Anlage mit Wechselbeziehung zur Umgebung; es ent­steht das Gegenüber von „entre cour et jardin". Diese Entwicklung von der Burg zum Schloß, wie am Saarbrücker Schloßfelsen nachvollziehbar, spiegelt sichtbar wie­ der, daß die beiden Funktionen - Wehr und Repräsentation - voneinander getrennt werden.

Es war die Planungsaufgabe F. J. Stengels, dieses neue Ideal auf dem Schloßberg mit dem in Jahrhunderten gewachsenen Gewebe der mittelalterlichen Bebauung des Sarbrocken in Einklang zu bringen. Durch Verfüllen der Burggräben im Bereich des heutigen Schloßplatzes und der Talstraße, das Schleifen der Mauern der Renaissance­ Burg, die Umlegung des Saarlaufes sowie die Errichtung der neuen Schloßmauer entlang des Flusses wurde von F. J. Stengel die topographische Voraussetzung zur Errichtung der neuen Residenz auf dem Areal des Renaissanceschlosses geschaffen. Die Anlage eines großzügigen Barockgartens erforderte auch den Ausbau der den Abhang zur Saaraue heruntergestaffelten Terrassen. ( Plan II )

Im Jahre 1748 wurde dieses Schloß, eine zur Stadt hin geöffnete Dreiflügel-Anlage, als Wohnsitz der Fürstenfamilie, Ort der Repräsentation und der Verwaltung fertig­ gestellt. Bereits im Jahre 1793 brannte es in den Wirren der Französischen Revolution

aus. Zur Durchführung des Bauvorhabens wurden Architekten, Ingenieure und Bau­ handwerker aus allen Himmelsrichtungen engagiert. Die Berufung des F. J. Stengel im Jahre 1733 als nassau-usingen'scher Hofarchitekt und Bauinspektor, der von 1708-

1712 an der königlichen Akademie der Künste in Berlin ausgebildet wurde, führte zu einer umfassenden städtebaulichen Planung mit großzügigen und qualitätsvollen Einzelbauten und Ensembles, wie Schloß mit Schloßplatz, Rathaus und Erbprinzen­ palais, und dem Ludwigsplatz mit der protestantischen Ludwigskirche, der Friedens­ kirche und dem Palais. Im Stadtgrundriß von Saarbrücken werden die Prinzipien der Geometrie und Symmetrie mit ihren rechteckigen Platzanlagen und dem Achsenbe­ zug „Point de vue" eingeplant. Der Schloßneubau wird anstelle des Vorgängerbaues auf dem Saarfelsen in das gewachsene Stadtgefüge, als ein die Bürgerhäuser überra­ gender Wohn- und Verwaltungssitz, eingefügt.

Zeitgemäße Lehrbücher über die Architektur waren u.a. die Schriften von Nicolas Franc,,:ois Blonde!; Nicolaus Goldmann und Leonard Christoph Sturm. Letzterer, Professor der Mathematik, lehrte bis 1702 im Dienste des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig-Wolffenbüttel  Mathematik, Festungsbau und Zivilbaukunst an der Ritterakademie zu Wolffenbüttel, einer Universität für Edelleute30). Sturm beein­flußte die deutsche Baukunst des 18. Jh. durch seine zahlreichen theoretischen Schriften; er publizierte die Lehre seines Vorbildes Nicolaus Goldmann und erweiterte diese in Richtung Praxis. Unter anderem veröffentlichte er 1696 die erste

 





 


                       30) Leonhard Christoph Sturm, geb. 5. Nov. 1669 in Altdorf bei Nürnberg, Eltern Johann Christoph Sturm, Professor für Mathematik und Physik an der Universität zu Altdorf, und dessen Frau                                         Barbara Johanna geb. Kessler. Bis 1683 Besuch des Gymnasiums Kloster Heilbronn, danach Studium an der Universität Altdorf, 1688 Magister in Altibus, 7.2.1689 Lehramt in Jena , 1689/90                                     Universität Leipzig, 1696 Sturm publiziert Nicolaus Goldmanns vollständige Anweisung zur Zivilbaukunst, Leipzig 1699 (Nicolaus Goldmann, Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst ).                                   Bis 1702 Professor der Mathematik an der Ritterakade mie zu Wolffenbüttel, 1702 Professur in Frankfurt/Oder, zahlreiche architekturtheoretische Werke, gest. 6. Juni 1719.

 

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Auflage der Zivilbaukunst Goldmanns31). In dieser „Vollständigen Anweisung zu der Civilbaukunst", Kapitel 3, ,,von denen Bücher schreiben, welche von der Baukunst gehandelt haben zitiert Goldmann u.a. die Werke von Vitruv, Leo Battista Alberti, Serlio, Andrea Palladio und Scamozzi. Durch Studium und Reisen waren auch am Hofe Wilhelm Heinrichs ein Teil dieser Schriften, die es z. Zt. des Schloßneubaues im Jahre 1738-1748 zur baupraktischen und theoretischen Anleitung gab, bekannt und dienten beim Bauen als Anregung. Die Kenntnis von den bautheoretischen Ausführungen des L. C. Sturm durch J. F. Stengel ist belegt durch die von ihm ver­wendete Säulenordnung. So hat er bei der Ludwigskirche in Saarbrücken, beim Mit­ telpavillon von Schloß Domburg an der Elbe, an der katholischen Pfarrkirche in Saarbrücken-St.Johann und am Witwenpalais Ottweiler die von Sturm in Nicolaus Goldmanns „Civilbaukunst" aufgezeichnete Ionische Kolossalordnung verwandt. Durch das bei Ausgrabungen aufgefundene Kapitellfragment im Schloßbereich ist auch die Verwendung dieser Ordnung am Schloß in Saarbrücken gesichert32). Sturm hat erkannt, daß seine Forderung, was die Austheilung dieser Gebäude anbelanget I sind wenig oder keine Regeln davon zu geben I die einige ist I daß man sie also untereinander setze I daß sie von beyden Seiten eine gleiche Symmetrie gegenein­ander I soviel möglich I machen. Er begründet diese Feststellung mit dem Hinweis: Solche aber zu erhalten I kan man nichts gewisses vorschreiben I weil ein Platz immer eine andere Anordnung an die Hand giebet I als der andere33). Der Entwurf Stengels für den Saarbrücker Schloßneubau folgt dieser allgemeinen Dispo­sition zur Regularität, jedoch unter Einbeziehung der vorhandenen Bebauung auf dem Schloßberg. Er erhielt zunächst die vorhandenen Nebengebäude: man mit den alten Neben =Gebäuden sich behilf.fi I so lange es immer möglich ist34), und beach­tet, daß die Gebäude auf beiden Seiten des Großen ¼rplatzes, noch eher rund = oder hohl ausgebogene Figuren mit viereckichten vermischet, so angeordnet sind, daß beim Palast die Gravität des Ansehens35nicht beeinflußt wird.

 





 


                         31) Nikolaus Goldmann, geb. in Breslau, getauft 26. Sept. 1611, Eltern: Johann Goldmann und Maria Six, Studium der Rechtswissenschaft und der Mathematik in Leipzig und Leiden, später                                             Lehrauftrag in Leiden für Mathematik und Architektur, Schriften über Militärbau­ kunst: Elementorum architectura militaris 1, IV Lugd Batav 1643, in wenig veränderter französ. Ausg.: La                                         nouvelle fortifikation 1645, Konstruktion für die Volute des Ionischen Säulenkapitells; veröffentlicht als Beigabe zu Joh. de Laet's Vitruvausgabe, Amsterdam 1649, Erfindung der Baustäbe:                                      Tractatus de Stylonetris... Gebrauch der Baustäbe., Lugd. Bat. 1662. Sein Hauptwerk: Vollständige Anweisung zu der Civil Bau-Kunst, veröffentl. 1699 von Leonhard Christoph Sturm.

                        32)Volkelt, Peter, Der Skulpturenschmuck am Saarbrücker Barockschloß, in: ZGSaarg. 19, 1971, S. 357 u. 358. Stengel wählte die Ionische Ordnung, die ihm aus seiner gründlichen Kenntnis                               der Architekturtheorie geläufig war und die ihm die für diesen Zweck angemessenste zu sein schien (Tfl. 30-32). Es war diese eine der fünf Stützengattungen, die z.B. Leonhard Christoph                                 Sturm 1696 in Nikolaus Goldmanns „Civilbaukunst" entwickelt hatte. Das aufgefundene fragmentarische Pilasterkapitell aus dem Schloßbereich ist in Tfl. 29a und die Kupfertafel mit dem                              Auf- und Grundriss des Ionischen Knaufs... in Tafel 50b v.g. Publikation wiedergegeben.

                        33) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, XII. Haupt­stück, S. 40.

                        34) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, XII. Haupt­stück, S. 40.

                        35) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, XII. Haupt­stück, S. 40.

 

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Sturm unterscheidet bei seiner Intention zwischen der vierflügeligen Schloßanlage um einen Binnenhof und dem französischen Schloß mit Cour d'honneur, nicht zwi­ schen altertümlich und modern, sondern er gelangt zu dem Ergebnis: Es entstehet aber ferner die Frage: Ob man die Höfe um und um mit völligen und gleichhohen Gebäuden umgeben I oder an einer Seite frey lassen I und allein mit einem Gar­terwerck oder höchstens mit einem gantz schmalen Gebäude I nur von einem Geschoß I welches oben auf eine Altan hat I verschließen solle? Die meisten möch­ten davor halten I daß dieses arbitrair sey /... und eine Regul angenommen werden I daß man die Residentz =Palläste in den Städten soll mit einem rings um völlig bebauten Hof angeben I und die Art der frey =gelassenen Seite zu den Land= und Lust=Häusern verweisen. Wenn wir in dieser Sach auf Exempel gehen wollen I so sind weit mehr vor mich I als wider mich. Der Pallast zu Turin, der zu Nancy, und in Teutschland einer zu Weissenfels I geben contraire Exempel ab; hingegen das Louvre zu Pariß I das königliche Schloß zu Stockholm I die Kayserliche Favorita, das königliche Schloß zu Berlin I die drey Palläste des Pabsts in Rom I vieler Fürstlichen zu geschweigen I welche allzumahl auserlesen schöne Gebäude sind I bekräfftigen hingegen meine Regu/36). Goldmann begründet seine Forderung: Denn erstlich soll man in den Städten den Platz entweder in der That aufs beste menagiren I oder doch zum wenigsten einen Schein dessen geben I welches geschiehet I wenn ein Hef rund um bebauet wird Zum anderen ist in den Städten immer viel Unruhe und Gethöfe I auch bey Nachts I und deßwegen ein Hof daselbst nicht ruhig und still genug zu achten I der nicht um und um bebauet ist. Drittens lässet man die Höfe vornehmlich alsdenn an einer Seiten offen I wenn die principalesten Gemächer I welche gemeiniglich hinten zu liegen pflegen I vorn hinaus nicht weniger einen weiten und schönen Prospect haben I als hinten gegen dem Garten zu I wie es aufdem Lande insgemein geschiehet; aber in den Städten ist nicht leichtlich vorn hinaus ein garsonderlicher Prospect, sondern gehet meistens gegen umliegende Häuser I welches auch die Ursache seyn mag I warum zu Turin das Schloß vorn her offen gelassen worden I weil es nehmlich in eine sonder­bahr=lange und schöne Gasse biß an das Stadt-Thor recht einen Prospect hat37). Diese geforderte Einbindung in einen schönen Prospect wird durch die weiteren Bautätigkeiten am Schloßplatz unterstützt. Der Burgwall wird geschliffen und der Graben verfüllt. Insbesondere wird die Häusergruppe oberhalb der Schloßkirche, „Schloßinsel" genannt, abgebrochen, um den Schloßplatz und die Avant-cour zu erweitern und die Sicht aus der Schloßgasse auf das Schloß mit dem prächtig ausge­stalteten Mittelrisalit freizugeben. Für die Anordnung der Höfe und die Ausgestal­tung der Randbebauung und der Nebengebäude regt Sturm an: Daß ein Fürstliches Schloß von alle anderen Gebäuden nicht nur durch blosse Gassen I sondern durch grössere Plätze von anderen Gebäuden separirt seyn I und sonderlich vor seiner Haupt-Face einen ansehnlichen Platz haben müsse I nicht nur vor Feuers=Gefahr desto sicherer zu seyn38).

 





 


                36) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­stück, S. 17.

                     37) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­stück, S. 17.

                     38) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­stück, S. 16.

 

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Stengel ordnete um das Schloß Höfe, Gärten und Plätze an: zur Stadt die Cour d'honneur und den Schloßplatz mit umliegenden herrschaftlichen und öffentlichen Gebäuden, zur Talstraße den Lindenhof, zur Saar den „Englischen Garten" und nach Osten einen großzügigen Park. Das Abhalten des Wochenmarktes auf dem Schloß­ platz war nicht gestattet. Das merkantile Leben spielte sich unterhalb der Schloß­kirche vor dem Saartor und im Bereich des Kranes ab. 1748 wurden die Häuser der Metzgerinsel abgebrochen und damit der untere Marktplatz geschaffen. Die Häuser­ zeilen der ehemaligen Vorder- oder Obergasse wurden 1748 am östlichen Ende durch Neubauten begradigt, um den Zugang zum Schloß zu eröffnen. Am Eintritt der Schloßgasse zum Schloßplatz wurde das neue Rathaus und das Haus des Super­ intendenten errichtet. Die bürgerliche und die kirchliche Verwaltung stand nunmehr in Blickbeziehung zur fürstlichen Residenz. Diese Raumordnung vor dem Schloß und der axiale Zugang von der Schloßgasse entspricht der Intention Sturms: So viel besser aber ist es I wenn um diesen Platz herum auch Herrschaftliche Gebäude liegen I und er sich auch durch andere Umstände distinguiret I daß jederman also­ bald sehe I daß es doch kein offentlicher Marckt=Platz sey. Daher es wohl siehet I wenn er mit Bäumen besetzet I und mit Spring =Brunnen gezieret wird39).

Um diese städtebaulichen Ziele zu erreichen, wurde durch den Fürsten am 18. August 1742 ein Verbot des unregelmäßigen Bauens erlassen40). Mit dem Erlaß wurde für Neubauten die Vorlage von Bauplänen beim fürstlichen Bauamt gefordert. Mit dieser gesetzlichen Regelung war es Stengel möglich, seine Gestaltungsziele im Städtebau durchzusetzen und Konsens zwischen seiner Planung und den Bauabsich­ ten des Bürgers zu erzielen. Als Anreiz zur Investition wurde am 9. Mai 1743 in den Städten Saarbrücken und St. Johann eine Befreiung von herrschaftlichen und städtischen Steuern bei Errichtung eines Neubaues zugestanden, wodurch zur Vergrößerung der hiesigen Stadt, Vermehrung der Einwohner und Erweiterung des Gewerbes den Neubauenden nebst anderen Vorteilen eine 1Ojährige Befreiung von herrschaftlichen und bürgerlichen Anlagen, auch Real= und Personalbeschwerun­gen erteilt41). Nach Abschluß der Bauarbeiten am Schloß wurde das Rathaus erstellt, das nach dem Stadtgerichtsprotokoll vom 19. 10. 1750 im gleichen Jahr bereits fertig­ gestellt war. In der Zeit von 1752 bis 1760 wurden die Gebäude neben dem Rathaus am Schloßberg von der Kirchengemeinde errichtet42). Die nördliche Schloßplatzseite wurde durch die Lingerie-Remise, die das mittelalterliche Hauptschiff der Schloß­kirche verdeckte, neu gestaltet. Der Glockenturm wurde mit einer Welschen Haube umgestaltet. Mit dem Ausbau der Bürgerhäuser auf der südlichen Platzseite zum Erbprinzenpalais wurde das Ensemble der Platzbebauung vervollständigt. Auch die Gebäude neben dem Palais in der Talstraße wurden von dem Fürsten aufgekauft und umgebaut. In diesen Häusern waren verschiedene Administrationen einquartiert. Nach Angabe Stengels war der Ausbau des Schloßplatzes 1760 abgeschlossen: Wehrender Zeit bis 1760 wurden noch unterschiedliche Herrschafftl. Gebäude

 

 





 


               39) Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718. VI. Haupt- stück, S. 15.

                   40) Ruppersberg, A. Geschichte der ehern. Grafschaft Saarbrücken, III. Teil, 1. Band, S. 255.

                   41) Ruppersberg, A. Geschichte der ehern. Grafschaft Saarbrücken, III. Teil, 1. Band, S. 255.

                   42) Stadt A Saarbrücken. Stadtgerichts-Protokolle 1750, fd. 71 r. Actum vom 19.10.1750.

 

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aufgeführet, und besonders der gantze Marckt Platz vor dem Schloße mit gantz neuen Gebäuden - a´la moderne geziehret4).

,,Von den Schloß-Plätzen und Höfen"

Die Schloßanlage orientiert sich an dem Idealgrundriß des Qyadrates, wobei die Dominanz des Corps de logis durch das die Eckpavillons und Rücklagen überra­ gende Dach des Mittelpavillons entsteht. Bei der Dreiflügel-Anlage wird dem Corps de logis an seinen Enden im rechten Winkel zwei gleichlange Flügel angegliedert. Die drei Flügel gruppieren sich, wie auch beim Vorgängerbau, um einen Hof, den diese einschließen und die einen zusätzlichen Lebensraum schaffen. Dieser hufeisen­ förmig angeordnete Flügelbau ist an seinen Ecken durch vier Pavillons betont, die an die Verteidigungstürme der Stadtburg erinnern.

Die Cour d'honneur hat in der Symmetrieachse den Mittelpavillon als Zentrum der Schloßanlage. Der SO- und der NO-Pavillon verbinden das Corps de logis mit dem Nord- und dem Südflügel. Während der Hof beim Vorgängerbau durch einen Flügel mit einem mächtigen Bergfried (Donjon) zur Stadt hin abgeschlossen war, öffnet sich die vierte Seite zur Stadt und wird durch eine Hermenbalustrade von der Avant-cour so abgeschlossen, daß die Zufahrt in der Schloßachse liegt. Auf der gegenüberliegenden Seite ist der achsial auf den Schloßgrundriß bezogene Garten mit symmetrisch geformten Treppen zum Tal angelegt. Die Zahl der Schloßhöfe hängt von der Bau=Art des Schlosses selbst ab. Selten wird man eine Residenz finden, die gar keinen Vor=Hof hat, wohl aber, wo der innere Hef fehlet und gleich bey der ersten Haupt=Entrie abgetretten werden muß Gemeiniglich hat man zwey, deren der vorderste der äussere und der in dem Bezirck der Schloß=Gebäude selbst befindliche der innere Schloß=Hef heißt. Bey weitläuffiig gebauten Schlössern seynd deren auch mehrere, welche zum Unterschied ihre eigene Benennungen haben44).

Die Avant-cour wird durch zwei achteckige Wachthäuser und schmiedeeiserne Gitter zwischen Stützpostamenten zur Stadt, Hang und Saarseite abgeschlossen. Die Zufahrt erfolgt durch ein Tor, das mit dem Haupteingang in das Corps de logis auf einer Achse liegt. Daß Königliche Palläste in viel Hijfe I Fürstliche nur in zwey mögen eingetheilet werden45), entspricht Stengels Einteilung am Saarbrücker Für­stenhof in die Cour d'honneur und die Avant-cour. ( Plan III ) Das Plädoyer Sturms für eine rechteckige Schloßanlage: An Fürstlichen Lust-Häusern lässet man solche vermengete Figuren noch gelten I aber an Residenz =Schlössern I woran alles daurhaffit und gravitätisch aussehen muß I vermeidet man sie billig I und bleibet bey der !anglicht =viereckichten I oder bey der Schacht =formigen Figur I woran man auch keinen Risaliten machet I als an den Mitten und Ecken der Gebäuden I welche aber I wie schon oben erinnert worden I nicht aus blasser Begierde zu variieren I sondern zugleich aus besondern Ursachen I der Stärcke I Bequemlich-

 





 


                 43) Koetschau K., von seinen Freunden u. Verrehrern zum 60. Geburtstag am 27. März 1928, Düsseldorf 1928, Der eigenhändige Lebenslauf  des Barock-Architekten

                            Friedrich Joachim Stengel (1694 bis 1787) mitgeteilt von Karl Lohmeyer,                             S. 93-104.

                     44) Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Frankfurt und Leipzig, 1754, S. 275.

                     45) Sturm,L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­ stück, S. 15.

 

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keit und Symmetrie, müssen gemachet werden entsprach der Planung J. F. Stengels. Man muß bedenken, daß sich leicht etwas so krummes und Wunder=seltsam aus= und eingebogenes hin zeichnen lässet / welches denn soviel eher in die Augen follet / weil es viel und angenehme Schattirung gibet; Wenn es aber zum würckli­ chen Bauen kommt / und man soll die Sparren =Köpffi / Dielen= und Balcken =Köpffi geschickt und ohne Fehler austheilen / da stehen die Pferde am Berg46).

Die Größe des Hofes war aber auch abhängig von der geographischen Situation, dem fürstlichen Rang und dem zur Verfügung stehenden Etat. Was aber nun die Grösse der rechten Hijfe anbelanget / machen zwar die Italiäner in ihren Pallästen gerne kleine Hi!fe / wen sie kühler sind / als die wegen ihrer Grösse der Sonnen ftey qffin liegen / aber an andern Orthen / sonderlich den Mitternächtischen / hat es eine andere Beschaffenheit / und soll da in einem Pallast der Hef unter hundert Fuß ins Gevierdte nicht seyn47). Der unterschiedlichen Hierarchie königlicher und fürstlicher Macht entspricht, daß ein Hef eines Fürstlichen Pallasts zwischen ein­ hundert und vierhundert Fuß ins Gevierdte haben müsse / zwey hundert Fuß den prächtigsten Hef vor einem Fürsten / und dreyhundert einen gnugsam ansehn­ lichen vor ein König abgeben könne48). Die Planung Stengels befolgt Sturms Distinction mit der Anlage eines Herrenpalastes mit einem kleinen Schloßhof von etwa 110 x 140 Schuh im Geviert im Gegensatz zu einem königlichen Hofe: von einem grössern Hef aber habe ich noch nicht gehöret / als der in dem Louvre zu Pariß ist / welcher bey 360. Fuß ins gevierdte hält49)

„Teutsches Hof-Recht, deren Quellen und Hilfs-Mitteln, wie auch die Geschichte des teutschen Hof-Wesens" ist in 12 Bänden in dem Jahre 1754 von dem Hoch-Fürstlich­ Hessen-Darmstätter Legations-Rath Friderich Carl v. Moser niedergeschrieben wor­ den und dort nachzulesen50). Das siebte Buch von den Gebäuden des Hofs definiert im ersten Kapitel die Begriffe Residenz, Schloß, Hof, Palais und Haus und regelt die Erweiterung, Grundsteinlegung, Bezugsfertigkeit und Bemessung der Residenz­ Schlösser und berichtet über das Hof-Bauamt. Das zweite Kapitel befaßt sich mit den Schloß- und Burgplätzen und Höfen. Das dritte Kapitel von den Zimmern bei Hof, das vierte von den Gemächern und Möbeln, das fünfte von der Pracht und Bequemlichkeit und der Ökonomie der zum Hof gehörigen Gebäude. Das neunte Buch regelt Handlungen und Feierlichkeiten am Hofe und erläutert die Zeremonien von den Zusammenkünften und Gesellschaften, den Audienzen, der Tafel, Lustbar­ keiten und Reisen.

Hier wird deutlich, daß nicht nur die Architekturtheorie, sondern auch die funktio­ nalen Anforderungen aus dem Hofrecht den Entwurf des Residenz-Schlosses beein-

 





 


  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­ stück, S. 17.
  2. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­ stück, S. 15.
  3. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­ stück, S. 17.
  4. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VI. Haupt­ stück, S. 15 u. 16.
  1. Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754.

 

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flussen. Es besteht eine wechselseitige Verflechtung zwischen Funktion, Hofrecht und Architekturtheorie. Der „Burg-Friede" erstreckt sich bis an die Grenzen der Schloß-Höfe, deren Betreten ohne Erlaubnis nur der Hof-Dienerschaft vorbehalten ist. Hof-Beamten des höchsten Ranges ist die Einfahrt in den Schloßhof, wenn überhaupt, nur mit Einschränkungen gestattet. Es galten besondere Rechte für den inneren Schloßhof die Cour. Die Schloß=Hi.!fe und Burg=Pläze haben ihre mehr­ fache Absicht und Nuzen. Die äusserste dienen I zur Pracht, besserm Ansehen und Aussicht des Schloß=Gebäudes, 2. zur Sicherheit der Herrschaifi und der Gebäude, da durch die den Hi.!fen beygelegte Rechte der Ein- und Zugang dem Pöbel und andere fremden oder verdächtigen Personen verwehrt ist, die innere Hi.!fe dienen 3. zur Erhaltung der Ruhe und Gemächlichkeit der Herrschaifi, in so weit nehmlich die Erlaubniß, mit Carossen in selbige zu fahren, sehr einge­ schränckt ist, aus welchem Grund 4tens die Abtheilung der Hi.!fe zugleich einen Einfluß in den Rang und das Ceremoniel zuwegen gebracht hat:51).  Herr von Rohr berichtet: iVcznn jedermann erlaubt würde, in den inneren Schloß-Plaz zu fahren, so würde, bey der Stellung der Carossen und Pferde, durch das Geschrey und Gelärme der ein- und auifahrenden Kutscher, mancherley Ungelegenheit ver­ ursacht werden, so der Durchlauchtigsten Herrschaifi, und denen auf dem Schloß gar ij/jlers zusammen kommenden Collegiis sehr verdrief?lich sein würde52).

Stengel-Konvolut

In der 1910 von Karl Lohmeyer verfaßten Monographie des Barock-Architekten Joachim Friedrich Stengel sind 3 unvollendete Originalrisse zu den 3 Stockwerken des Corps de logis und des rechten Seitenflügels des Saarbrücker Schlosses aus dem gräflichen Erbachischen Gesamthausarchiv Erbach im Odenwald publiziert53). Der linke Seitenflügel ist nur in Umrissen ohne Raumaufteilung dargestellt. Einer dieser Stengel-Pläne ist mit 1740 und die anderen zwei mit 1747 datiert54).

Die von Christian I Koellner in seinem Faszikelband „Saarbrücker Alter Thümer" gesammelten 102 Pläne sind von Karl Lohmeyer in seinem Buch „Südwestdeutsche Gärten des Barocks und der Romantik" (Saarbrücken) veröffentlicht. Dieses Arbeits­ material aus dem Besitz der saarländischen und pfälzischen Hofgärtnerfamilie ent­ hielt zahlreiche Gartenpläne und Gebäuderisse, darunter auch die veröffentlichen Grund- und Aufrisse der Saarbrücker Residenz und ihrer Nebengebäude, dem Wein­ keller und dem Marstall55).

Der Hauptunterschied zwischen diesen Grundrißplänen und der Plansammlung aus dem gräflichen Hausarchiv in Erbach ist, daß der Südflügel des Schlosses in den Erbach-Plänen nicht ausgezeichnet wurde und nur in seinem Außenumriß ange-

 





 


  1. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, § 1, S. 275.
  2. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, § 4, S. 277 u. S. 278.
  1. Nach Mitteilung vom 27.05.1966 der gräfl. Erbach-Erbach u. von Wartenberg Rothischen Rentenkammer sind diese Zeichnungen im zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf Darmstadt vernichtet worden.
  1. Lohmeyer, K., F.J. Stengel, Düsseldorf 1911, S. 53, Abb. 18, S. 54, Abb. 19, S. 55, Abb. 20.
  2. Lohmeyer, K.: Südwestdeutsche Gärten des Barock und der Romantik, Saarbrücken 1937, S. 44 Abb. 42, S. 45 Abb. 43, S. 46 Abb. 44, S. 47 Abb. 45, S. 49 Abb. 47, S. 50 Abb. 48, S. 51

Abb. 49.

 

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geben war. Lohmeyer erläutert dazu: ,,Das einzige waren unvollendete Grundrisse seiner Hand, wie ich sie im gräflichen Archiv von Erbach feststellte, ..."56). Jörg Gamer erklärt hierzu, daß bis 1747 die Grundrißaufteilung des linken Flügels (Süd­ flügel) noch nicht feststand57). 1741 wurde mit den Arbeiten am Corps de Jogis begonnen, danach der rechte Flügel und zum Schluß der linke Flügel aufgebaut, weil sich hier der noch bewohnbare Teil des Renaissanceschlosses befand.

Das noch erhaltene Inventarium vom 15. August 1753 über die herrschaftlichen Mobilien, die sich in dem hiesigen Schloß befanden, erlaubt uns, das Schloß von Raum zu Raum, von Kabinett zu Kabinett zu durchschreiten und uns einen Ein­ druck von der Pracht der Ausstattung zu geben. So gab es in dem Rathen Gast­ Zimmer sechs fauteuilles von Bildhauerarbeit mit rotem Damast bezogen und ein mamorsteinerner Tisch mit vergoldetem Fuß .58). Eine 1797 nach dem Tode des letzten Fürsten vorgefundene Mobiliarschaft listet den Bestand an fürstlichen Reit­ pferden, eines fürstlichen Silberser-Vices und Complettbesteck, einzelne Gerätschaf­ ten aus Porcellaine, Silber, Kupfer und Wirkzeug. Erstgenanntes Verzeichnis gibt eine Raumbeschreibung wieder, welche die Darstellungen aus den Röchling- und Erbach-Plänen im Bereich des Corps de Jogis und des rechten Flügels (Nordflügel) ergänzen. Die Raumnutzung des Südflügels, wie sie sich aus dem Inventar von 1753 erschließen läßt, stimmt nicht mit den Darstellungen der beiden Plansammlungen überein59). In der von Erich Fissabre und dem Verfasser dokumentierten Bauauf­ nahme zum Saarbrücker Schloß wird dargelegt, daß die Röchling-Pläne mit dem Barockbestand des heutigen Schlosses bis auf Einzelheiten übereinstimmen, eine Plangenauigkeit, welche nur für Ausführungszeichnungen zutrifft. Die sorgfältige Darstellung im Grundriß spricht dafür, daß es sich bei diesen um Ausführungspläne und nicht um Entwurfspläne handelt60).

 

Einteilung und Grundriß

Das Grundschema der Dreiflügel-Anlage bildet ein Rechteck von 65,45 x 61,34 Meter bzw. 212' 8" 7"' x 199' 4" 3"' Schuh. Das Corps de Jogis hat eine Länge von 65,45 Meter mit 15 Fensterachsen; davon entfallen 3 auf den Mittelpavillon, jeweils 3 auf die Rücklagen und die Eckpavillons. Die Tiefe von 18,26 Meter ist durch 4 Fenster unterteilt. Die Länge der Seitenflügel mißt 43,08 Meter mit 10 Achsen, davon 7 in den Rücklagen. Der NW- und SW-Pavillon ist mit 3 Fenster 14,98 Meter lang und

 

 

 

 





 


  1. Lohmeyer, K.., Südwestdeutsche Gärten des Barock und der Romantik, Saarbrücken 1937,

S. 49

  1. Gamer, Jörg, Die Residenz des Fürsten Wilhelm Heinrich in Saarbrücken, in: ZGSaarg. 16, 1968, S. 229.
  1. LA Sbr., Bestand Nassau-Sbr. II, Abt. 22, Nr. 2856, Inventarium vom 15. August 1753.
  1. Analog zu der bisherigen Literatur werden die von Lohmeyer 1911 veröffentlichten Pläne aus dem gräfl. Hofarchiv als Erbach-Pläne, die 1937 publizierten Pläne nach dem damaligen Eigentümer Dr. Max Röchling und seiner Gattin geb. von Voß als Röchling-Pläne bezeich­ net.
  1. Fissabre, E. u. Maurer, A., Gestaltbild Barockschloß Saarbrücken 1739-1748, Methoden, Arbeitsweisen, Quellen der Rekonstruktion, im Eigenverlag Saarbrücken 1980.

 

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mit 4 Fenster 15,84 Meter breit61) Diese geometrische Ordnung des Grundrisses wird durch die symmetrische Anordnung der beiden Haupttreppenhäuser an den Innen­ wänden der 3achsigen Rücklagen des Corps de logis unterstützt. Die Seitenflügel werden zusätzlich durch zwei Nebentreppenhäuser, jeweils an der Innenwand zwi­ schen Rücklage und NW- bzw. SW-Pavillon liegend, erschlossen. Der Hauptzugang von der Cour erfolgt über drei Hauptportale im Mittelpavillon, weitere vier Ein­ gänge befinden sich jeweils in der ersten Fensterachse der Rücklagen der Seitenflügel.

 

,,Souterrain"

Von dem Souterrain des Barockschlosses sind keine Werkpläne Stengels bekannt. Das Kellermauerwerk und die Gewölbe sind, ausgenommen die des Mittelpavillons, fast vollständig in situ erhalten und wurden bei der Wiederherstellung des Schlosses renoviert62). Vom Mittelpavillon haben sich bis in die Neuzeit Reste der Funda­ mente und der Kelleraußenwände erhalten63). In Domburg befindet sich unterhalb der Sala terrena des Rez-de-Chaussee ein großzügig angelegter Saal, der aus sechs Kreuzgratgewölben gebildet und von zwei Mittelstützen getragen wird. Die Belich­ tung erfolgt über drei Kellerfenster unter der Freitreppe zum Garten. In Analogie zu Domburg kann ein solcher Hauptraum unter dem Gartensaal des Erdgeschosses angenommen werden. Die Kellerräume unter dem Corps de logis wurden durch ger­ adläufige Treppen erschlossen, die unter dem mittleren Lauf der Grands escaliers angeordnet waren. In den Kellerräumen des linken Flügels befanden sich die erfor­ derlichen Wirtschafts- und Lagerräume, welche über eine Tür von dem Hof vor dem Marstall über ein Nebentreppenhaus angedient wurden64). Die Gewölbe des Nordflügels wurden durch ein Tor auf der Nordfassade direkt neben dem NO-Pavil­ lon von der Saarterrasse aus über eine breite Treppe erschlossen. ( Plan III )

 

,,Rez-de-chaussee"

In dem dreiachsigen Mittelpavillon des Corps de logis befindet sich das Grand­ Vestibül mit zum Garten angeordneter Sala terrena. In den Rücklagen hinter den 3 Fensterachsen zum Hof sind an der Mittelwand die beiden dreiläufigen Grands Escaliers und zum Garten auf der rechten Seite ein Chambre und eine Garderobe

 





 


  1. Entsprechend dem Sprachgebrauch des 18. Jhs. werden die Seitenflügel vom Schloß aus, der zur Saar gelegene Bauteil als rechter, der zur Talstraße gelegene als linker Flügel, bezeichnet. Die vier Eckpavillons werden nach der Lage zur Himmelsrichtung als NW- SW-, SO- und

NO-Pavillon benannt. Diese Bezeichnung ist identisch mit der von Gamer, J. und der von

Volkelt, P. , in: ZG, Saarg. 19, 1971, S. 220, Anm. 3 und S. 325, Anm. 14.

  1. Der Verfasser hat 1977 im Auftrage der Deutschen Orient-Gesellschaft e. V., Berlin, und der Universität des Saarlandes die Ausgrabung der mittel- u. altsyrischen Stadtanlage Mumbaqat geleitet. Vgl. Kretz, E., Ein Töpferofen mit Lochtenne und Kuppel in Mumbaqat, in: Fest­ schrift Graßnik, M., Kaiserslautern 1987. Aufgrund dieser Erfahrung wurden alle archäologi­ schen Befunde während der Bauzeit des Schlosses von 1981 bis 1992 dokumentiert. Zahl­ reiche Bauteile der Vorgängerbauten wurden restauriert und in die Wiederherstellung des Schlosses einbezogen.
  1. Diese Mauerwerksreste wurden bei den Aushubarbeiten 1987 zum Theatersaal im Unter­ geschoß des neuen Mittelpavillon 1987 entdeckt und restauriert.
  1. Köllner, A., Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, Saarbrücken 1865, Band 2,

S. 262:,,Der Eingang befand sich zur Seite der Talgasse an der Lindenallee".

 

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und auf der linken em Chambre und ein Cabinet angeordnet. Im NO­ Pavillon befanden sich zwei Hofarchive der Fürsten und ein Verwaltungsraum65). Der SO-Pavillon gliedert sich in eine Garderobe und drei Chambres pour effiziers. Alle Aufenthaltsräume entlang der Gartenseite sind vom Gartensaal über eine Enfi­ lade zu erreichen. Durch diese Aufreihung von Zimmern ist bei geöffneten Türen eine Durchsicht durch die an der Fensterflucht liegenden Räume möglich. Dieses Prinzip der Auffädelung der Räume ist auch im Nord- und Südflügel entlang der Hoffassade gegeben.

Im rechten Flügel (Saarseite) des Rez-de-chaussee befanden sich die durch eine Mit­ telwand untergliederten Räume der Verwaltung mit Chambres pour la Regence et de Finances und die Regierungsarchive: Vvorunter ich vornehmlich verstehe den Geheimbden Rath I das geheime Archiv, und die Amts= oder Finantz =Cammer I nebst der Rentere, welche billig in dem Fürstlichen Pallast seyn sollen I weil es nöthig ist I daß dieselbige der Fürst qffimahls selbst besuche66). Nach den Berichten von Adolph Köllner war das Archiv nicht wie die anderen Räume mit einer Balkendecke, sondern, zur Sicherung gegen Brand, mit einem Steingewölbe über­ deckt. In der Rücklage  befindet sich in der ersten Fensterachse neben dem NO-Pavillon ein Treppenhaus mit Tür zum Garten. Die Stufen begannen unmittel­ bar hinter der Türschwelle und führten zu dem mit Kreuzgratgewölben überdeckten Saal des Kellergeschosses. Vom Zwischenpodest aus führte eine schmälere Treppe zum Vestibül ins Rez-de-chaussee zwischen NO-Pavillon und Seitenflügel. Daneben war ein Toilettenraum mit vier Aborts angeordnet67). Dieser war vom Haupttrep­ penhaus über einen am Hof liegenden Flur direkt zugänglich. Eine zweiläufige Treppe, im NW-Pavillon am Hof gelegen, führte zu den Obergeschossen. Das davor­ liegende Vestibül war sowohl über Zugänge vom Cour als auch vom Englischen Garten betretbar.

Im linken Flügel (Hangseite) logierten in einer zweihüftigen Anlage mit Korridor die Militärverwaltung des von Wilhelm Heinrich unterhaltenen und dem König von Frankreich unterstellten Regimentes. Im SW-Pavillon war die Verwaltung des Perso­ nals und die fürstliche Küche untergebracht. Adolph Köllner berichtet, daß sich im unteren Geschoß die Wohnung des Haushofmeisters, Küche und Konditorei befanden68), unter diesem Nahmen werden bey einem Fürstlichen Hc!fe begriffen I alle die Gelegenheiten I deren man bey dem Küchen=Wesen benöthiget ist I nem-

 





 


  1. Köllner, Adolph berichtet in seinem Werk „Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann", Saarbrücken 1865, Band 2, Seite 262: ,,Das Archiv befand sich in einem feuerfesten Gewölbe im unteren Geschoß, am östlichen Ende des Flügels". In den Abbildungen der Planunterlagen Erbach ist im Grundriß des Rez-de-chaussee ein solches Gewölbe dargestellt. Die vom Verfasser durchgeführten Bauuntersuchungen ergaben kein Indiz dafür, daß dieses Gewölbe auch ausgeführt wurde.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VII. Haupt­ stück, 11. Zimmer vor die Collegia, S. 21.
  2. Reste der Abortanlagen wurden bei den Restaurierungsarbeiten an den Kellergewölben des Nordflügels vom Verfasser am 4.9.1985 aufgefunden und dokumentiert. Die Übereinstim­ mung des Baubefundes mit dem Röchling-Plan des Rez-de-chaussee läßt vermuten, daß es sich bei diesem Plan um einen Ausführungsplan handelt.
  1. Köllner, A., Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, Saarbrücken 1865, Bd. 2,

S. 262.

 

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Plan IV

Rez de chaussée des Barock-Schlosses 1739-1793

mit Eintragung des metrischen u. des Schuh-Zoll Maßstabes sowie des Moduls

Rekonstruktionszeichnung : Erich Fissabre, Alfred Maurer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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lieh benebst der eigentlichen Küche I da gekochet wird I eine Stube I da das Gebackenes gemachet wird I samt einem Back =Ofen nahe dabey I die Speise =Kammer I die Fleisch =Kammer I ein Winckel I da man die Häute von dem Wild hineinhut I einer da man das zahme lebendige Geflügel hin thut I welches man nicht alsobald abschlachten kan I und die Rauch =Kammer. Ferner gehöret dazu die Conditerey und die Küchen =Schreiberey I welche alle I so viel möglich I nahe bey einander seyn müssen69 ). Die Toiletten liegen am Wirtschafts­ hof in der mittleren Fensterachse der Rücklage. Eine neben dem SW-Pavillon in der ersten Fensterachse der Rücklage vorgesehene dreiläufige Treppe zum Keller und den Obergeschossen war sowohl vom Ehrenhof als auch über das Zwischenpodest vom tieferliegenden Lindenhef aus erreichbar. Die Seitenflügel der Schloßanlage sind von der Cour durch Türen an den vier Enden der Rücklagen zugänglich. Die Höhendifferenz zum Erdgeschoß wird mit außenliegenden u-förmigen Treppen überwunden. Die unterschiedliche Anzahl der Stufen bestätigt die getroffene Annahme, daß der Hof mit Gefälle zum Schloßplatz hin angelegt war70). ( Plan IV )

 

,,Beletage"

Im Mittelpavillon befindet sich über dem Grand ¼stibül des Rez-de-chaussee zum Hof hin der Avant-Sale und zur Gartenseite der Sale Manger. Der Vorsaal wird

direkt über die Grands escaliers erschlossen, während der Speisesaal über diesen bzw. über die Enfilade der flankierenden Repräsentations- und Wohnräume der Für­ stenfamilie erreichbar ist. Auf der Nordseite des Corps de logis befindet sich die Raumsuite des Fürsten mit Anti-Chambre, Chambre d"Audience, Chambre Cou­

cher en Niche, zwei Cabinets, Garderobe, Toilette mit zwei Aborts. Die Räumlich­ keiten der Fürstin im südlichen Teil bestehen aus Anti-Chambre, Chambre de Parade, Chambre Coucher mit alcove, Toilette, Cabinet, garderobe, Second Gar­ derobe und Toilette mit einem Abort. Die Staatsappartements für den Fürsten und

die Fürstin entsprechen dem höfischen Protokoll aus Vorzimmer, Audienzzimmer, Ratszimmer, Schlafzimmer und Kabinett und erfüllen somit die Erfordernisse des Empfangs- und des Regierungszeremoniells einer Residenz. Die Raumdisposition entspricht dem des Appartement double mit einem Teil direkt zugänglicher Räume, wie dieses sich beim Schloßtyp des Maisan de Plaisance herausbildete. An das Für­ stenappartement schließt sich in der Rücklage des rechten Flügels ein kleineres Appartement mit einem anti Chambre, Chambre, Cabinet und garderobe an, des­ sen Räume von der Passage vor dem Fürstenappartement und dem Nebentreppen­ haus im NW-Pavillon erschlossen werden. Ein drittes Appartement aus anti Cham­ bre, Chambre, Cabinet und Garderobe befindet sich im NW-Pavillon mit zwei Zugängen vom Nebentreppenhaus. Der von der Fürstin bewohnte linke Flügel war zweihüftig angelegt. Ein Corridor in der Rücklage verband das Haupttreppenhaus mit dem Nebentreppenhaus und ermöglicht den direkten Zugang zu den einzelnen Räumen: Chambre en Niche, Chambre, Garderobe, Chambre und Garderobe. Ein weiteres Appartement mit anti Chambre, Chambre, garderobe und Cabinet en Niche befand sich im SW-Pavillon. ( Plan V)

 





 


  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VII. Haupt­ stück, 3. Die Küche, S. 19.
  1. Fissabre, E. u. Maurer, A., Die Erforschung des Barockschlosses Saarbrücken, Druck in

Vorbereitung.

 

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,,Mezzanin"

Im Mittelpavillon des Mezzanin befindet sich der Grand Sallon, der Festsaal für den gesamten Hofstaat, flankiert von den Haupttreppen zum Hof und den Zim­ mern zur Gartenfront71). Diese Chambres waren für Einzelempfänge vorgesehen und dem Zutritt hochgestellter Persönlichkeiten vorbehalten. Wie beim Chateau simple erstreckt sich der Grand Salon von der Hof- bis zur Gartenseite auf der gesamten Fläche des Mittelpavillons. Der Hauptzugang erfolgte von den beiden Haupttreppen aus. Durch die Lage im Mezzanin konnte der Saal bei einer Grund­ fläche von 12,89 x 16,76 Meter bzw. 41' 11" x 54' 6" Schuh mit einem Dachstuhl stüt­ zenfrei überspannt werden und eine angemessene Höhe erhalten. Die ausreichende Belichtung des Saales wurde durch die Anordnung von drei Fenstern mit darüberlie­ genden Oberlichtern auf Hof- und Gartenseite erreicht. Die Beheizung des Saales erfolgte durch einen in der Mitte der Schmalwände eingebauten Kamin und gegenüberliegend durch einen freistehenden Ofen. Im Südteil des Schlosses befan­ den sich die Zimmer der fürstlichen Kinder und deren Personal, im nördlichen Teil die Wohnräume der Gäste. In den darunter befindlichen Geschossen war nur im Südflügel ein Korridor vorhanden. Im Mezzanin war in beiden Flügeln ein Mittelflur (Corridor) feststellbar. Der Dachraum wurde in der Rücklage des rechten Flügels durch eine dreiläufige und des linken durch eine einläufige Treppe erreicht. Die Toi­ lettenräume befanden sich in beiden Flügeln über denen der unteren Geschosse. (Plan VI)

 

,,Sitz des Hofs und der Kollegien"

Friderich Carl von Moser definierte den Begriff der Residenz als beständige Woh­ nung des Regenten an dem Ort, wo der eigentliche Sitz des Hefs und der Collegien ist72 ). Das Wort Schloß bezeichnet sowohl die in der Residenz befindliche Haupt­ wohnung des Regenten als auch alle anderen beständigen Wohnungen zur Kunst und Jagd. Hef ist gleichzusetzen mit der Bedeutung Residenz und Schloß oder: ich gehe nach Hof, wird aber auch für Lust- oder Landhaus eines Regenten verwendet. Man unterscheidet bei einem Residenzschloß folgende Funktionsbereiche:

- öffentliche, allgemein zugängliche Bereiche, z.B. Amtsräume, wie Kanzlei, Rech­ nungskammer, Amtsstube, Archiv, etc.

 

 





 


                        71. Die Hofhaltung des Fürsten Wilhelm Heinrich z.Zt. der Regierungsübernahme und seiner Heirat 1742 umfaßte: ,,die höheren Beamten und Hofchargen, 3                                                         Kammerjungfern, 1 Haus hofmeister, 2  Kammerdiener, 1 Küchendiener, 1 Küchenschreiber, 3 gutbezahlte Köche (je

        400 f1 !), 1 Bratmeister, 2 Kellermeister, 1 Mundschenk, 2 Gärtner, 1 Hofbäcker, 1 Bierbrauer,

         1 Hofschmied, 2 Hoffouriere, 3 Kammerlakaien, 3 Lakeien, 2 Frontteure, 2 Heyducken,

         2 Wagenmeister, 1 Kutscher, 11 Reitknechte, 1 Vorreiter, 1 Kalfaktor, 5 Kapaunstopfer,

         1 Küchenläufer, 1 Küchenknecht, 1 Heubinder, 2 Garderobejungen, 2 Schmiedeknechte,

        1 Bratenwender, 2 Gartenknechte, 4 Garderobemägde, 1 Kindermagd, 2 Silbermägde,

       4 Waschmägde, 2 Kuchenmägde, 2 Kehrmägde, 1 Magd, so den Schloßhof säubert. Ins­ gesamt wurden jährlich aus der Hofkammer 30153 f1 Gehälter und          Löhne bezahlt. Zu den Genannten kommen aus der Hausrechnung und aus der Landrechnung bezahlte Bedien­ stete, die nur mittelbar oder gelegentlich für            den Hof beschäftigt waren." LA Sbr., Bestand Nassau-Sbr. II, Nr. 2296.

                         72. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 252.

 

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  • der private, dem der Herrschaft und Gäste vorbehaltene Bereich, z.B. Wohn- und Schlafräume, Speisesaal, Bibliothek, den Aufenthaltsräumen für die Gäste vorneh­ men Standes und der Festsaal.
  • Wohn- und Schlafräume für die Hofchargen und das Gesinde, Wirtschaftsbereich mit Küche, Backhaus, Handwerkerräume, Kutschenremisen und Stallungen.

Indem in gegenwärtigem Capitel das innere der Schloß=Gebäude näher betrachtet werden solle, so ist farderist wegen derselben Haupt=Einrichtung einiges vorher anzumercken. Die mehreste Schloß=Gebäude theilen sich in drey Etagen, die soge­ nannte Sousterrains und die in gebrochenen Dächern angelegte Zimmer nicht zu rechnen. In den Residenz =Schlössern in Stätten seynd zu ebener Erde mehrentheils angelegt die Küche, Conditorey, Silber =Licht=Victualien =Cammer, die Wacht= Stuben, wo nicht ein besonders Corps de Guarde erbaut ist, Keller=Speis=Rech­ nungs =Gesinde =Stuben, Arrestanten =Stübgen, des Schloß=Wärters Wohnung, vilfliltig auch das Archiv, Zimmer vor ein= und andere Collegia, die Hef =Apo­ theke, und wo keine eigene Stall=Gebäude seynd, der Marstall; so auch noch manche Säle. In dem zweyten Stockwerck seynd ordentlicher Weise die Herr­ schaffiliche Wohn= und Parade= auch Fremden =Zimmer. In dem dritten Stock­ werck wohnen die bey Hef logirende Herrn und Dames, auch, wann in der zweyten Etage der Platz ermangelt, die Familie ingleichem Verwandte des Regen­ ten. Unter das Dach wird das geringere Hef =Gesinde an Bedienten beyderley Geschlechts logirt73 ). Dieses Ordnungsprinzip, nach welchem die Geschosse aufge­ teilt wurden, bestimmt auch die innere Raumaufteilung des Saarbrücker Schlosses.

 

,,In Ansehung des Empfangs und Begleitung auf und an den Treppen"

Fürst Wilhelm Heinrich und sein Architekt J .E Stengel orientierten sich bei der Funktionsgliederung des Schloßbaues in Saarbrücken an dem zeremoniellen Hof­ leben der Fürstenhöfe des 18. Jahrhunderts. Neben den gewandelten Ansprüchen der Bewohner hinsichtlich des Wohnkomforts sind die neuen Bauunternehmungen auch Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens am Hof, das eine repräsentative Form der Architektur erfordert: Die Treppen dienen, seit dem verändertem Geschmack in der Baukunst und nach Abschaffung der beschwerlichen Wendel=wie auch anderer unbequemen Treppen nicht nur zur Vergrösserung der Pracht eines Schloß=Gebäu­ des, dessen grosse Zierde sie ausmachen, sondern sie haben auch nicht geringen Eirifluß in das Ceremoniel bey Hef überhaupt und gegen Fremde insbesondere74Die Erschließung des Schlosses mit den Treppenanlagen wurde durch das Empfangs­ zeremoniell, Bestandteil der Courtoisie unter Herrschenden, beeinflußt. Auch der von Ludwig XII. gepflegte neue Stil in seinen Regierungsgeschäften, die sog. diplo­ matie ouverte, beeinflußte die Bauweise75). Man führte Gespräche auf höchster Ebene und suchte seinem politischen Gegner durch pompöse Empfänge und üppige Feste zu imponieren. Diese politique de prestige des Volois wurde von den Zeit­ genossen verstanden und gerühmt. So waren zahlreiche Zeitgenossen  wie z.B.

 





 


  1. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 282 u. 283.
  2. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 286.
  1. Melot, M. , Politique et Architcture. Essai sur Blois et le Blesois sous Louis XII., Gazette des Beaux-Arts 109, 1967, pp. 317-128.

 

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Johann Wolfgang von Goethe, Adolf Freiherr von Knigge, Friedrich Rolle und Friedrich Koellner von dem Schloßneubau und der Hofhaltung des Fürsten Wilhelm Heinrich begeistert76 ).

Im Corps de Jogis befinden sich auf der Hofseite links und rechts des Mittelpavillons zwei repräsentative Haupttreppenanlagen77). Diese Treppenhäuser liegen in den Rücklagen und sind symmetrisch gestaltet. Von der Cour d'honneur betritt man über eine dreistufige Freitreppe das Grand ¼stibul Zur Gartenseite liegt die Sala terrena (Gartensaal). Der Zeremonialweg führte vom Portal über die Cour d'hon­ neur, den Ehrenhof, in das Corps de logis und von der Vorhalle über die Escalier d'honneur, die Ehrentreppe, zu den Audienzräumen der Fürstenfamilie in der Bele­ tage. Von dort aus weiter ins Mezzanin zum prachtvoll ausgestatteten Grand Salon. Bei der Residenz war es üblich, im Gegensatz zu den Maisons de plaisance, in denen die Wohn- und Prunkräume meist ebenerdig lagen, diese im Obergeschoß anzuord­ nen.

Die Grundrißdisposition des Corps de Jogis entspricht der Commodite. Die Mittel­ figuration, bestehend aus dem Gartensaal und dem Vorsaal, der über die Treppen­ häuser unmittelbar mit den Staatsappartements und den Sälen verbunden war. Die Treppen selbst seynd ihrem Gebrauch nach unterschieden; wie man Parade =Zim­ mer hat, so hat man auch Parade=Treppen, (ob sie gleich disen Nahmen nicht haben) welche bey fremden hohen Besuch, solennen Audienzen der Gesandten und andern grossen Feyerlichkeiten gebraucht werden, wie dann solchen falls auch die Gardes zu beyden Seiten postirt zu werden pflegen. In Ansehung des Empfangs und Begleitung auf und an den Treppen, so weit das Ceremoniel dabey einschlägt, findet sich in denen im /Vten Capitel des dritten Buchs angeführten Exempeln78). In den Röchling-Plänen sind diese Parade =Treppen im Rez-de-chaussee mit Grand Escalier und in der Beletage mit Escalier bezeichnet. Die Treppenhäuser waren in jedem Geschoß durch jeweils drei Fenster belichtet und belüftet. Die Lage an der Mittelwand ermöglichte die Anordnung des Etagenpodestes entlang der Außenfront. Das Podest war gleichzeitig der verbindende Flur zwischen Mittelpavillon und NO­ bzw. SO-Pavillon. Durch diese Treppendisposition im Innern konnte im Hof die gleichmäßige Fassadengliederung von den Seitenflügeln zum Corps de Jogis beibe-

 





 


  1. Goethes Werke, hg. Von Erich Trunz u. Lieselotte Blumenthal, 1. Aufl. Hamburg 1955, 9. Dichtung und Wahrheit, S. 419. Adolph Freyherr von Knigge, Briefe, auf einer Reise von Lothringen nach Niedersachsen geschrieben, Hannover 1793, S. 16. Friedrich Rolle, Samm­ lung von den meisten wohlthätigen Handlungen für Stadt und Land der Herren Fürsten von Nassau-Saarbrücken, 1973, MHVSaarg. 6, 1899, S. 10. Friedrich Köllner, Etwas zum Zeit­ vertreib in den Wintermonaten des Jahres 1810, S. 97 f. 107.
  1. Baupathologische Untersuchungen des Verfassers an den Innenwänden haben die Nahtstel­ len im Mauerwerk, wo die Treppenstufen und Podeste eingebunden waren, erkennen lassen. Bei dem Freilegen der ehemaligen Qierwände des Mittelpavillons hat der Verfasser Stuckre­ ste des ehemaligen linken Haupttreppenhauses vom Rez- de -Chaussee zur Belletage ent­ deckt, konserviert und als Dokument der Schloßgeschichte bei der Renovation einbezogen. Dieser Befund bestätigt das Vorhandensein der barocken Treppenanlage entsprechend den Originalplänen und gibt zusammen mit den ebenfalls restaurierten Torbögen des Rez-de­ chaussee und der Beletage zwischen den Rücklagen des Corps de Jogis und dem NO- und SO-Pavillon noch heute lebhaftes Zeugnis von dem Vestibül vor den Grands escaliers.
  1. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 286.

 

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halten werden. Der Wechsel der Fensterformen blieb dem Mittelpavillon vorbehal­ ten, so daß die Schloßmitte akzentuiert erscheint.

Die Anlage von zwei gleichwertigen großzügigen Treppenhäusern links und rechts der Hauptrepräsentationsräume entdecken wir vergleichsweise im Schloß Vaux­ Le-Vicomte, Schloß Domburg an der Elbe und Schloß Ludwigsburg (von Donato Guiseppe Frisoni).

Eine dreiläufige Treppe neben dem Vestibül und zum Ehrenhof hin gelegen ist in dem Architektenlehrbuch Blondels mit Entwurfsbeispielen zur Baukunst der Mai­ sons de plaisance dargestellt79). Der Treppenhaustyp und seine formale Ausgestal­ tung ist im Detail bei Blonde! nachweisbar. Die Stufenform, die Treppenwange und der Treppenanfänger stimmt in Einzelheiten mit der Darstellung Stengels in den abgebildeten Röchling-Plänen und mit der Ausführung in Domburg überein80). Diese Planunterlagen und die noch erhaltene Treppenanlage des Schwesternschlosses ermöglichen es, einen räumlichen Eindruck der Wirkung der Treppe zu vermitteln. Diese 1793 zerstörten Treppenhäuser des Saarbrücker Schlosses sind 1810 von A. Knipper bei den Umbaumaßnahmen abgebrochen worden und in originaler barocker Substanz nicht erhalten.

Zur zusätzlichen vertikalen Erschließung von Räumen empfiehlt von Moser: So dann seynd die zu der nöthigen Communication nöthige gewöhnliche Haupt= und Neben=Treppen, endlich die geheime Treppen (escaliers derobes) in den Zimmern der Herrschaft selbst81). Solche Nebentreppen befinden sich in den 3 Geschossen der Seitenflügel. Die Systematik des Grundrisses wird noch durch die Anlage von zwei Nebentreppen im Mezzanin zur Erschließung des Dachgeschosses in der ersten Fensterachse neben den beiden Eckpavillons des Corps de Jogis unterstrichen.

,,Einteilung nach französischem Fundament"

Mit seinem Buch über den Schloßbau griff Sturm das Thema dieser aktuellen Bauaufgabe auf und interessierte damit die höfischen Kreise. Er unterrichtete seine Leser sowohl über historische als auch über aktuelle Bauentwicklungen; berichtete insbesondere über die Innenraumgliederung der französischen Schlösser zur Zeit Ludwig des XIV und plädierte für die französische Raumgliederung. Weil ich aber hier vor Teutschland schreibe, da die frantzösische Lebens-Art fast allzuviel belie­ bet wird, will ich mich bemühen, die frantzösische Austheilung der Gemächer auf unsere Bequemligkeit einzurichten82). In seinen Kupfern publizierte er sowohl einen Schloßgrundriß in italienischer als auch einen in französischer Aufteilung. ( Plan VII und VIII ) Ich pflege auch alle Einteilung nach frantzösischem Fundament zu

 

 





 


  1. Blonde!, Jaques-Frarn;:ois, ,,De la distribution des Maisons de plaisance et de Ja Decoration des edifices en general, Paris 1737, Band 1, 4. Teil, Planche 82, Seite 129, Entwurf für ein Mai­ son de plaisance, Grundriß Rez-de-chaussee.
  1. Blonde!, Jaques-Frarn;:ois, De Ja Distribution des Maisons de plaisance et de la Decoration des edifices en general, Paris 1737, Band II, Plan du Premier etage decorations d'escalier donne dans !es planches 88 et 89, S. 161.
  1. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 286.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VII. Haupt­ stück, S. 18.

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                                                                                                                                            Plan VII

Grundriss des vornehmsten Geschoss eines Fürstlichen Schlosses auf eben

den Platz als vorhergehender eingetheilet nach Italiänscher Manier, ...

Tab. XV aus: Strum, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste Augsburg 1718.

 

 

 





 


 

 

  

machen83 ). Er vertrat damit in Bezug auf Raumfolge und Raumaufteilung den Wechsel von der italienischen mit den verbindenden Galerien um den Hof herum zur französischen Entwicklung, die den verfügbaren Raum ganz mit Appartements belegt und so wenig Gänge anordnet wie möglich. Um bei einer Vier· Flügelanlage der Renaissance die um den Hof gelegten Flügel an einen Haupteingang anzubinden und jeden Raum einzeln zugänglich zu machen mußten Korridore, Säulengänge oder Galerien angeordnet werden. Diese Grundrißdisposition nach italienischer Manier wurde in der Barock- und Rokokozeit durch die fränzösische Art, die Enfi­ lade, eine Zimmerflucht mit genau hintereinanderliegenden Türen, ersetzt.

Bei der Grundrißgestaltung der französischen Schloßbauten wurden in den einraum­ tiefen Flügelbauten mehrere Räume hintereinander gelegt. Bei diesem Grundmuster von hintereinander gestaffelten Räumen mußten zum Erreichen eines Raumes alle anderen Räume begangen werden. Die Kamine zum Beheizen der Räume wurden mittig an den unterteilenden Schmalwänden eingebaut, mit der Folge, daß die Türen auf die Seite zu den Außenwänden zu liegen kamen. Vgl. die Vier-Flügelanlage Chambord, Grundriß des Schlosses nach Du Cerceau (1576). Durch die Anordnung der Türen auf einer Achse zum Innenhof entstand die Enfilade, die eine Kommuni­ kation der Räume untereinander ermöglichte, den geschlossenen Raumeindruck aber minderte. Die Untergliederung der Flügel durch eine mittlere Längswand in zwei nebeneinanderliegende Raumreihen finden wir in Blois in dem von Franz I. errichteten Flügel. Bei diesen Raumreihen konnte der Hauptraum Salle sowohl am Anfang, in der Mitte als auch am Ende angeordnet sein. In Amboise und Blois wur­ den die anderen Räume symmetrisch an den Hauptraum zu einem Appartement double zusammengefügt. Mit der Distribution von repräsentativen Treppen in das Corps de Logis anstelle der traditionellen Treppentürme wurde diese Raumfolge gestört. Die Anordnung von Gängen ermöglichte es, einzelne Räume direkt vom Treppenhaus zu erreichen. Die klassische Raumfolge von Salle, Chambre und Cabi­ nett wurde im Sinne der Commoditi variiert, so wurde aus Bequemlichkeit das Cabinett vor die Chambres gelegt. Abgeschlossene Raumeinheiten entwickelten sich durch die Integration der Chambres, Garderobes und Cabinets innerhalb der qua­ dratischen Eckpavillons der Schloßanlagen. Durch die Anordnung zusätzlicher Trep­ penhäuser gewannen diese Wohneinheiten innerhalb der Gesamtanlage an Eigen­ ständigkeit.

Zu Beginn des 16. Jahrhundert bildete sich das Appartement als feste Raumfolge und repräsentativste Wohneinheit des Corps de Logis aus. Es bestand aus Salle, Chambre und Cabinet. Den zwei Fensterachsen umfassenden Salle wurde ein bzw. zwei untergeordnete Räume, Chambre, angefügt und diesem der kleinste Raum, das Cabinet. Diese so erschlossenen Räume wurden zusammengefaßt zum Appartement simple, bei welchen auch das Schlafzimmer mit zu den Empfangsräumen gerechnet wurde und eine Erschließung der Seitenflügel nur durch diese Schlafzimmer mög­ lich war. Die Herrschaftlichen Personen haben Ihre eigenen „Apartements ': die Hof-mäßig aus „einem oder zwey Anti-Chambres, einem Praesenz- oder Audienz-

 

 





 

  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, VII. Hauptstück, 5.18.


 

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Gemach, dem Cabinet, dem Schlaf-Gemach und der Garderobe bestehen1. Vor diesen von den Herrschaften bewohnten Zimmern befinden sich die Vorgemächer zum Aufenthalt der Hof-Dienerschaft nach Rang .

Bei den hufeisenförmigen Barockschlössern mit dem Saal und dem Treppenhaus in der Mittelachse des ganzen Baues wurde durch Anordnung von prunkvollen Galerien und Korridoren ein Teil der Räume separat zugänglich. F.J. Stengel hat die Zimmergruppen mit teils vom Treppenhaus oder Flur direkt zugänglichen Räumen ausgestattet und zusätzlich im Corps de Logis eine großartige Enfilade für die Zeremonie geschaffen: Die Audienzen seynd hauptsächlich zweyerlei Gattung, öffentliche und particulier=Audienzen. Jene geschehen mit dem vollen Ceremoniel, nach dem Verhältniß, wie es dem Rang und Würde des Regenten so wohl, als dessen, so die Audienz verlangt, gemäß ist. Die privat=Audienzen geschehen entweder ganz ohne Ceremoniel, mit blosser Anmeld=Einführ= und Entlassung dessen, so Audienz bekommt, oder mit einer gewissen ihm angemessenen Art des Ceremoniels, so aber nicht den ganzen Hof, sondern nur ein= und andere hohe oder in der Aufwartung ohnehin stehende Hof=Bediente bemühet.Wann ein Reichs=Fürst bey dem Kayer privat=Audienz hat, fährt er in seinem mit zwey Pferden bespannten Wagen nach Hof, und findet sich, ohne Empfang, in der Kayserlichen Geheimen=Raths=Stube ein, dahin ihn der Kayserliche Hof=Fourier anweißt, welcher ihm vorher Zeit und Stunde zur Audienz angesagt, all da findet er den Obrist=Cämmerer, der ihm in die Retirade zum Kayer führet. Der Kayser gehet dem Fürsten etwa drey Schritt bis in die Mitte des Gemachs entgegen und ist ohnbedeckt, sie reden stehend und bey dem Abtritt begleitet der Kayser den Fürsten ein paar Schritt hinwieder; hernach beurlaubt er sich in der Geheimen=Raths-Stube vom Obrist=Cämmerer und bey der Kayserin vom Obrist=Hofmeister, von welchem er zu Audienz gebracht worden2.

Die Raumsuite des Fürsten befand sich im rechten Schloßflügel und die der Fürstin im linken Flügel; sie gliederten sich in Anti-Chambre, Chambre d'Audienz bzw. Chambre de Parade, ein oder zwei Cabinets, Chambre à Coucher, Garderobe und Toilette und wurden jeweils durch die großzügige Treppenanlage erschlossen. Im rechten Flügel befanden sich Räume für Gäste der Fürstenfamilie. Die Staatsappartements für den Fürsten und die Fürstin entsprechen dem höfischen Protokoll aus Vorzimmer, Audienzzimmer, Ratszimmer, Kabinet und Schlafzimmer und erfüllen somit die Erfordernisse des Empfangs und des Regierungszeremoniells einer Residenz. In Anlehnung an die Raumfolge in kaiserlichen, königlichen und fürstlichen Schlössern nach dem spanischen Protokoll entspricht die Raumfolge in Saarbrücken der der größeren Schloßanlagen Schönbrunn - 2 Vorzimmer, 1 Audienzzimmer, 1 Retirade, 1 Schlafraum - und Schloß Schließheim - Vorzimmer, Audienzzimmer, Paradeschlafzimmer, großes Kabinett, kleines Kabinett.

Fridrich Carl von Moser beschreibt uns die Funktionen der einzelnen Räume wie folgt: Die Parade=Zimmer dienen zur Versammlung der Herrschaften an Gala=Tägen, und andern Hof=Festen, ingleichen bey Anwesenheit fremder hoher Gäste. Ihren Pracht zeigt schon ihr Nahme an. Sie unterscheiden sich auch von den andern dadurch, daß sie niemahls bewohnt werden, als etwa von Gästen des höchsten Rangs. Das Cabinet bey einem grossen Herrn ist eigentlich das, was bey privat=Personen ihr Wohn=Zimmer ist, dahero der Eintritt in dasselbe noch genauer

 

 





 


1 ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 283.

2 ) Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754. S. 551.

                                                                                                                                                                                                                        209

     


 

und ganz eigentlich auf die Leib=Bedienung und die vertraute Personen eines Herrn eingeschränkt ist. In der Gegend des Schlafi =Gemachs und Cabinets stoßt die Garderobbe mit an, in welcher die zu der Leib=Bedienung gehörige Personen sich bey Tag aufhalten, auch einer oder etliche derselben des Nachts schlafen. Dahin steht auch andern vornehm= und geringern Personen des Hqft, welche nicht die Anti=chambern enger machen wollen, der Zugang cif.fen86). Der Zugang zu diesen Räumen war, so berichtet von Moser, an großen Höfen durch besondere Zimmer-Reglements geordnet. Die Entree bei Hof, die Erlaubnis, am Hof unange­ meldet erscheinen zu dürfen, wird nach dem Grad der Würde der verschiedenen Räume gestattet. Die Entree hat nach der Hef =Sprache verschiedentliche Bedeu­ tung. Man sagt überhaupt: Er hat die Entree bey Hef, welches mehr nicht, als die Erlaubniß, bey Hef unangemeldt erscheinen zu dü,fen, sagen will Die so genannte grosse Entrees, wie solche an dem Französischen Hef der Unterschid gemacht wird, gehören in das Teutsche Hef Recht nicht. Bey uns setzt die Entree eine Claßification und Rang an Hef zum Grund, nach welchem der Eingang in die nach dem Grad ihrer Würde verschidene Zimmer gestattet wird87).

Das Schlaf=Gemach hat in Ansehung der Entree besondere Rechte und Einschrän­ kungen. Die allgemeinste und sicherste Regel ist: das der Eingang in dasselbe ver­ stattet wird,

  1. Der Gemahlin, oder die an deren statt ist, und den Kindern und Anverwand- ten des Regenten,
  1. dessen Lieblingen und Vertrauten,
  2. dem Obrist=Cämmerer oder der dessen Stelle versieht,
  3. dem Cammerherrn oder Cammer =junckern vom Dienst,
  4. dem oder denen Leib= oder Cammer=Pagen,
  5. dem Leib=Medico,
  6. dem oder denen Cammer =Dienern,
  7. den geheimen Secretairs,
  1. bey R. Catholischen den Beicht=Vätern; dann bey uns Evangelischen familari- siren sich die große Herrn mit ihren Hef=Predigern nicht so sehr88)

Für das gesellschaftliche Leben und zur Wahrnehmung der Regierungsaufgaben an grossen Hijfen hat man eigene zu sehr feyerlichen Handlung gewidmete Audi­ enz =Säle, welche bey solchen Gelegenheiten gebraucht werden, wann der ganze Hef einer Audienz mit beywohnet, z.B. bey qffentlichen Anwerbungen, bey Land=Tags-Propositionen, Belehnungen ec.89). Sonstige Audienzen wurden in den Privatgemächern entsprechend dem Rang des Gastes gewährt: Ordentlicher ise werden nur cif.fentliche und solenne Audienzen in solchem Gemach gegeben, zur privat=Audienz aber wird man in das ordentliche W&hn =Zimmer oder Cabinet des Regenten geführt. jedoch gilt auch hierinn wieder der Unterschied zwischen Fremden und Einheimischen 90Das Saarbrücker Schloß hatte drei Prinzipalge-

 

 





 


  1. Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 290 - 293.
  2. Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 294 u. 295.
  3. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 290.
  4. Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, § 6., S. 556.
  5. Von Moser, F.C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, § 6., S. 556.

 

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schosse, zusätzliche Zwischengeschosse, für Bedienstete und Abstellkammern, wie sie der Theoretiker Sturm forderte: ... daß so denn in diesen Zwischen =Geschossen Raum genug sich finden müsse zu den jenigen Gemächlichkeitenl so darinnen gesuchet werden. Diese Gemächlichkeiten bestehen theils in Logirung einiger Bedienten/ theils in Bewahrung allerhand Geräthes91). Diese Gemächer befanden sich, wie man aus dem Mezzanin der Röchling-Plansammlung erschließen kann, in den Dachräumen. Indizien für die Dachraumnutzung sind die Treppen im Nord­ und Südflügel. Sie liegen unmittelbar neben den Eckpavillons des Corps de logis in den Rücklagen der Flügel und führten nur von dieser obersten Etage zum Dachraum. Zur Belichtung der Gemächer der Bediensteten sind die Dachgauben ausreichend.

 

,,Von den Sälen, deren Unterschied, Gebrauch und Benennung"

Zentrum der Repräsentation war der Mittelpavillon mit seinen Sälen. Die Säale seynd in einem Schloß unentbehrlich. Die zu einem Residenzschloß zugehörigen Säle wurden nach der Größe benannt, der größte Grand Salon, die mittleren Safes und die kleines Salets, und nach Gebrauch unterschieden, z. Bsp. Tafel-Säale, Spazier-Säale, Audienzsäale92).

Von dem Hof aus über das Grand Vestibül betrat man die Sala terrena und von dort die Gartenterrasse. Darüber lag zum Hof hin der Avant-Sale und zur Garten­ seite der Safe Manger. Zu der Tafel seynd entweder eigene Speis =Säle bestimmt, oder es werden die Vorgemächer zugleich zu disem Gebrauch angewandt. Auch ist dißfalls ein Unterschied zwischen der Sommer= und Winters =Zeit, da in jener gerne kühle Säle, in dieser aber leicht zu erwärmende Zimmer dazu genommen werden93)

Herr von Pöllniz beschreibt die Geselligkeiten bei Anwesenheit des Herzoglich­ Braunschweigischen Hofs auf der Messe zu Braunschweig um 1730 wie folgt: Alle Morgen lässet der Herzog die allda befindliche Standes =Personen beyderley Geschlechts zu sich einladen, worauf dieselbe gegen Mittag bey Hef erscheinen, und lässet alsdann der Ober=Hef-Marschall die Anwesende losen, was vor Dames und Cavaliers bey einander zu sizen kommen sollen, um auf solche  ise allen Rang =Streit zu vermeiden, da es dann unterweilen sich zuträgt, daß die Herzogin den untersten Plaz an der Tafel bekommt; jedermann wird allda auf das kostbarste und niedlichste tractirt und wann die Personen vor eine Tafel zu vil sind, halten beyde Herrn Brüder jeder eine besondere Tafel94).

Der Große Saal zur Ausrichtung von Festins in Beylagern, bei Tau.ff= und Begräb­ niss =Solennitäten, bey Geburtstagen ist im Mezzanin des Mittelpavillons angeord­ net . Zur Anzahl und Größe des Hauptsaales empfiehlt Sturm deren machet man jetziger Zeit nicht mehr so viel I auch werden sie nicht mehr so ungeheuer groß

 

 





 


  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, 15. Die übri- gen Gemächer in den Zwischen=Geschossen, S. 24.
  1. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 287.
  2. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 289.
  3. Von Moser, F. C., Teutsches Hof-Recht, Franckfurt und Leipzig, 1754, S. 494.

 

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als vor diesem verlanget. Sturm knüpft an die Renaissancetradition an: als daß man sie gerne in das oberste Geschoß leget95), und Stengel folgt dieser Empfehlung. Seitliche Begrenzungen sind die Rücklagen mit den Grands escaliers und den Zim­ mern, die zur Gartenseite liegen: Zwischen zwey Zimmer I die nicht gebrauchet werden I ohne zu Bewirthung vornehmer Gäste I damit die Herrschaft I wenn ein Festin soll gegeben werden I allezeit bequem dahin gelangen I und weder über gemeine und ijfentliche Plätze I noch auch durch ordentlich von anderen Personen bewohnte Zimmer gehen dü,jfe. Denn durch die besagte Zimmer vor Gäste kan sie allezeit bequemlich passiren I wenn auch fremde Gäste darinn sind I weil man dieselbigen ohnedem zu dem Festin abzuholen pfleget. Man muß aber durch die propren Zimmer allein gehen können I und nicht nöthig haben : die Guarderob­ ben zu passiren96 ).

,,Die Symmetria oder gegeneinander Messung"

Die Teilnahme Stengels als Offiziersfähnrich an den Feldzügen des Prinzen Eugen nach Oberitalien, seine Reisen und seine Mitarbeit bei Maximilian Welsch in Fulda förderten sein Verständnis für Architekturtheorie und angewandte Mathematik, ins­ besondere für die Proportionsregeln, und prägten seine Künstlerpersönlichkeit. Die Studien in den Militärwissenschaften umfaßten auch die Technik der Fortifikation und der Vermessung. Grundlage der architekturtheoretischen Schriften war stets auch die Auseinandersetzung mit den Regeln über die Proportion, der Vergleich von Bauteilen in Bezug auf das Ganze. Goldmann erläuterte in seinem ersten Buch der Baukunst: Die Symmetria oder gegeneinander Messung ist eine solche Eintheilung der Stücke eines gantzen Gebäutes I daß alles dem Maasse nach wohlgereimtes erhalten werde97). Ein Baumeister, der diese Regeln nicht beachtete, war der Kritik

ausgesetzt. F. J. Stengel sprach über Gottfried Heinrich Krones Entwurf zum Festsaal

der Heidecksburg in Rudolfstadt, daß er außer Proportion seye und überhaupt das Gebäude nicht regulair gemacht worden sei98 ). Die Proportionen wurden angegeben durch den Modul, der dem Halbmesser der Säule entspricht. Für die verschiedenen Säulenordnungen war die Anzahl der Module unterschiedlich vorge­ geben. Der Modul hat eine Größe, die von dem Baumeister je nach Rang, Lage und Umgebung des zu errichtenden Gebäudes zu bestimmen ist. Goldmann empfiehlt: In den Gebäuen I soll der Modul niehmals über vier Füsse groß I auch nicht klei­ ner seyn als ein Fuß ist: Zwischen solchen Massen wird der Modul in der heiligen Baukunst befunden I nehmlich in den Seulen des Tempels ist er vier Fuß/ in den Vorbäuen zwey Füsse I und im Königlichen Hcif.fe einen Fuß groß99). Dadurch, daß das absolute Maß eines Moduls sich in der Achsabfolge des Grundrisses und in den Gesamtmaßen des Schlosses immer wiederfindet, bestätigt sich: die halbe Säu­ lenbreite - dem gewählten Modul entsprechend - wird auf die Abstände der Pilaster, der Tore, der Türen und Fenster und Gebäudeecken übertragen. Die Anzahl der

 





 


  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, S. 18.
  2. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, S. 18.
  1. Goldmann, N., Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst, hg. Sturm, L. C., Wolffen­büttel 1696, I. Buch, S. 30.
  1. Möller, Lohmeyer, Festschrift, S. 83-86.
  1. Goldmann, N., Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst , hg. Sturm, L.C., Wolffen­büttel 1696, II. Buch, S. 82.

 

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Türen und Fenster ergibt sich aus der geplanten Grundrißform in Abhängigkeit von dem zur Verfügung stehenden Bauplatz. Sturm schreibt: Nachdem nun dieses alles geschehen I nehme ich den gegebenen Platz vor mich I bey dem es zwar meistens nicht darauff ankömmt, ob man ihn um etliche wenige Fuß kleiner oder grijßer nimmet100). Nach der Bestimmung der Länge und Breite des Gebäudes nach den vorzitierten Regeln wurde der Grundriß in Modulen entwickelt101). ( Plan IX ) Zur zeichnerischen Darstellung des Grundrisses gibt Goldmann folgende Anleitung: Wenn die Rechnung also gemacht worden I entwidfi man sich die halbe Länge und Breite auf solche Weise: Träge! hernach davon ein Netze auf I so wohl von den Mittel =Linien der Säulen I als auch von den Säulen =Dicken I und von den Fenster=Weiten dazwischen I so kan man auf solchem Netze gar leicht einen Grund=Rijs zu dem gantzen Gebäude I und das auf mehr als auf eine Weise austheilen. In dem Buch Vollständige Anweisung aller Arten von Regularen

Prachtgebäuden nach gewissen Regeln zu e,jinden, auszutheilen und auszu­ führen102) wird zunächst die Disposition der Säule der Höhe nach empfohlen: Die zweyte I wenn unten ein Geschoß mit Bossagen gemache! I und hernach eine Ord­ nung ohne Säulen= Stühl durch alle übrigen Geschosse hinauff geführet wird ..103). Die Kolossalordnung ist nach Sturms Angaben mit 24 1/2 Modul für den Schloßbau

Saarbrücken anzunehmen und erstreckt sich über die Beletage und den Grand salon des Mittelpavillons. Die baupraktikable Verwendung des Moduls erfordert, daß der Modulmaßstab in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu den gebräuchlichen Längen­ maßen von Schuh und Zoll ins Verhältnis gesetzt wurde. Da aber die Gebäude von den Werckleuten nach Ellen, Fußen und Zollen errichtet werden, denen der Modulmaaßstab entweder gänzlich unbekannt ist, oder doch wenigstens nicht hinreichend bekannt ist, so muß man den Model auf den schuigen Maaßstab reduciren, das ist, man muß das Verhältnis des Models zu Fußen und Zollen

bestimmen104).

,,Französisch Schuhmass 12 Zoll lang"

Frühere Maßeinheiten waren von der menschlichen Gestalt abgeleitet. Diese Maße waren daher nicht gleich, sondern in den Jahrhunderten und Orten unterschiedlich,

z.B. Fuß, Zoll, Elle, Klafter, usw. Die Verwendung des römischen Fußes von 0,296 m im frühen Mittelalter ist überliefert. Während in England vom 12. Jahrhundert mit dem sogenannten Königsfuß (0,305 m) gemessen wurde, ist in Frankreich der

 

 





 


  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Prachtgebäuden nach gewis­ sen Regeln zu erfinden, Augsburg 1716, Die zweyte Zugabe § 7.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Prachtgebäuden nach gewissen Regeln zu erfinden, Augsburg 1716. Wir unterscheiden nach Sturm die gemeine oder uneigentliche Methode, d.h. mit Hilfe der O!,iadratur, d.h. mit Zirkel und Lineal zu arbeiten im Gegensatz zu der eigentlichen Methode, der modernen, die in jedem Falle auf einem gewählten Modul basierte.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Prachtgebäuden nach gewis­ sen Regeln zu erfinden, Augsburg 1716, Die zweyte Zugabe, § 9.
  2. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung, alle Arten von regularen Prachtgebäuden nach gewis­ sen Regeln zu erfinden, Augsburg 1716, Die zweyte Zugabe , § 1.
  1. Suckow, L. Johann Daniel, Erste Gründe der Bürgerlichen Baukunst, Jena 1798, § 543,

s. 242.

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französische pied du roi mit 0,3248 m verwandt worden. In Preußen war der Fuß 0,3140 m, in Bayern 0,2918 m und in Sachsen 0,2830 m lang. Das für die Errichtung eines Bauwerkes verwendete Längenmaß richtete sich nach der Maßeinheit des Ortes, an dem das Gebäude errichtet werden sollte, oder nach der Herkunft des Baumeisters105). Adolph Köllner gibt in seinem Buch „Geschichte der Städte Saar­ brücken und St. Johann" Kenntnis der genauen Umrechnung der in der Zeit des Schloßbaues verwendeten alten Saarbrücker Längenmaße. Er gibt die Längenmaße von Schuh ( Fuß ) in Meter an und unterscheidet zwischen dem geometrischen Maß und dem Nürnberger Maß Das geometrische Maß wird unterteilt in den Schuh von 0,30769 m in 10 Zoll Das Nürnberger Maß wird nach dem 12er System eingeteilt: 1 Schuh 12 Zoll 0,307695056 m106). Nach diesen Köllnerschen Angaben lassen sich die örtlichen Vermessungen am Schloß, an der Ludwigskirche und in Domburg in das von Stengel verwendete Werkmaß umrechnen. Stengel ver­ wendete nicht nur in Saarbrücken, sondern auch beim Schloßbau in Domburg/Elbe dieses Nassau-Saarbrücker-Werkmaß107).

 

Profil zu Fürstlichen Palästen

Sturm berichtet von der Austheilung der Fürstlichen Palläste nach der Höhe / in unterschiedene Geschoß oder Stockwerk und empfiehlt in seiner Bauentwurfslehre: Das allererste, welches der jenige bedencken muß / der einen Könglichen oder Fürstlichen Pallast anzugeben gedencket / sind die Geschoß des Gebäudes, wie viel er derselben machen / und was vor eine Höhe er einem jeden geben soll Denn daraus muß die Maasse der Ordnungen/ so man daran gebrauchen will / und guten Theils auch ihre Austheilung fliessen108). Die Anzahl und die Nutzung der Hauptgeschosse richten sich nach der Bauaufgabe Residenzschloß. Es sind aber hauptsächlich drey hohe Geschoß bey einem Pallast nöthig. Das am Boden wird gar zu keiner Fürstlichen Wohnung gebraucht/ ohne in den Lust=Häusern, da sie gerne an der Erde logiren, um geraden Fusses in die Gärten zu gehen. Sondern in den Residentz =Schlössern wird dasselbige zu allerley Dienst gebrauchet109). Dieses Konzept mit der Anordnung von drei Geschossen und die Lage der Gemächer in den Obergeschossen wurden von Stengel beachtet. Die Geschoßhöhe für die Regie­ rungsräume im Rez-de-chaussee weniger als 12. und mehr als 17. Fuß im Lichten wird die Höhe dieses Geschosses niehmals gebilliget / und soll billig allezeit durch­ aus gewölbet seyn110ist mit 18 Schuh ausgeführt. Die Höhe der Beletage entspricht der Forderung Sturms an ein Prinzipalgeschoß ebenfalls mit 18 Schuh: Die andern beyden Principal-Geschoß / wo die Herrschaffi logiret / sollen niemahl unter

 





 


  1. Brockhaus, Enzyklopädie, Leipzig 1893.
  1. Köllner, A. Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, Bd. II, S. 203 ff., Saar­ brücken 1865.
  1. Fissabre, E. u. Maurer, A., Die Erforschung des Barockschlosses Saarbrücken, Druck in Vorbereitung.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, II. Hauptstück, S. 10.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, II. Haupt­stück, S. 10.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, II. Hauptstück, S. 10.

 

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16. Fuß Höhe im Lichten bekommen / mögen aber wo! aufi Höchste btß 20. Fuß hoch werden, was darüber ist / wüßte ich nicht zu billigen111). Bei der lichten Raumhöhe des Mezzanin verminderte Stengel die geforderte Höhe von 16 Schuh auf 15 Schuh. Die Wahl unterschiedlicher Geschoßhöhen ist bedingt durch die vielfältige Nutzung für die Regierung, das Wohnen und die Repräsentation: Wenn man aber bedencket / daß man in einem solchen Pa/last auch sehr viel Zimmer vor Bediente

/ und zu Aufbewahrung von allerhand Sachen haben muß, dazu eine so grosse Höhe nicht e,jorderlich wird/ da manauch so grosse Fenster nicht bedadf / hin­ widerum / daß man unterschiedliche Sääle haben muß, denen die Höhe von sechszehen bis achtzehen Fuß nicht genug ist / so siebet man wie sehr vernünjftig die Italiänische Gewohnheit ist / über die ordinaren Geschoß / darinn die Herr­ schaffe logiret, allezeit noch ein niedrigers zu bauen. Da lässet es sich dann mit grosser Bequemlichkeit thun / daß man die Sääle so hoch als ein ordinar- und ein solches niedriges Geschqß miteinander machet112). Der Wechsel der Geschoßhöhen von 18 Schuh auf 15 Schuh zwischen Beletage und Mezzanin steigert den Repräsen­ tationseindruck der Fürstengemächer in der Beletage und berücksichtigt die dama­ lige Technologie des Heizens: ja in unsern Mitternächtigen Ländern halte ich / daß die Zimmer / so zu der ordentlichen Wohnung der Herrschaft destiniret sind

/ niemahls sollen über sechszehen höchstens achtzehen Fuß hoch gemachet werden

/ weil sie sonst nicht wohl zu erwärmen sind113). Die Anordnung des Grand Salon im Mezzanin und die Einbeziehung des darüberliegenden Dachraumes ermöglichen die Wahl einer zweckdienlicheren, größeren Geschoßhöhe als bei den Fürsten­ gemächern. Die Größe des Hauptsaales mit 41' 11" Schuh in der Breite und 54' 6" Schuh in der Tiefe erforderte eine zusätzliche Raumhöhe und Auslichtung, die durch die Wahl einer Geschoßhöhe von 27 Schuh und die dadurch möglichen querovalen Oberlichter über den Festsaalfenstern erreicht wird. ( Plan X )

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





 


  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, II. Haupt­stück, S. 10.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718, II. Haupt­stück, S. 11.
  1. Sturm, L. C., Vollständige Anweisung Grosser Herren Palläste, Augsburg 1718; II. Hauptstück, S. 11.

 

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